Wissenschaft, Technik und Kunst

- 48 - Ein Interview mit dem Hirnforscher Sir John Eccles, Nobelpreisträger für Medizin Dieses Interview brachte dasMagazin Focus imHeft 16 aus demJahre 1995 unter der Rubrik: "Forschung und Technik" mit der Überschrift "Verbindung zu Gott. "Die Seele", sagt der Hirnforscher Sir John Eccles , existiert vom Körper getrennt - auch nach dem Tod." Focus : Als Dualist wollen Sie nachweisen, daß die Seele unabhängigvom Körper existiert und auch nach dem Tod fortbestehen kann. Wie begründen Sie Ihre Theorie? Eccles : Ich glaube, die Frage nach der Herkunft des Selbst läßt sich nur religiös beantworten. Es wird uns gegeben, es ist derGeist Gottes . Zugleich erklärt die Theorie, wie das Bewußtsein auf rein biologischer Basis im Zuge der Evolution entstanden sein könnte. Focus : Demnach besitzen auch Tiere bereits Bewußtsein? Eccles : Zumindest Säugetiere. Doch ein Selbstbewußtsein hat nur der Mensch . Das ist ein großer Unterschied. Hunde und Katzen etwa erkennen sich nicht im Spiegel, ebensowenig Säuglinge. Mit dem Auftreten der Säugetiere vor rund 200 Millionen Jahren entwickelte sich auch derGeist . Zuvor war die Welt "geistlos". Säuger haben eine ähnliche, doch kleinere Großhirnrinde wie Menschen. Schon die insektenfressenden Ursäugetiere hatten deshalb bewußte Erfahrungen und Gefühle. Focus : Was genau bringt das Bewußtsein hervor? Eccles : DerGeist beeinflußt das Gehirn, indem er auf mikroskopische Strukturen wirkt. Einen Ansatzpunkt dafür sehe ich an bestimmten Zellen der Großhirnrinde: den Pyramidenzellen; genauer an deren Fortsätzen, den Dendronen. Eine Zelle besitzt bis zu 10.000 Schaltstellen zu Nachbarzellen: die Synapsen. Diese wiederum enthalten winzige Säckchen - sogenannte Vesikel -, die gefüllt sind mit Neurotransmittern. Erreicht ein Nervenreiz die Zelle, öffnen sich die Vesikel und setzen diese Botenmoleküle frei. Sie durchqueren den Spalt, der die Synapsen zweier Nachbarzellen trennt, und leiten so den Reiz weiter. Bei der riesigen Zahl der Synapsen löst dieser Prozeß auch sehr komplexe Gehirnaktivitäten aus - beispielsweise Gedanken. Focus : Was bewirkt dabei derGeist ? Eccles : Erreicht ein Impuls eine Nervenzelle, so setzt jedes Vesikel seine Neurotransmitter nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit frei. Meine Theorie ist: Das Bewußtsein modifiziert diese Wahrscheinlichkeit. Focus : Dazu erfanden Sie das Konzept von den "Psychonen". Eccles : Ja. Es sind "mentale Einheiten"; sie durchdringen die Dendronen. Das Ensemble der Psychonen bildet das Bewußtsein. Unsere Selbsterfahrung geht vom Dendron in die Psychonen über. Diese wiederum beeinflussen die Synapsen. So wirkt der Geist auf das Gehirn ein. Umgekehrt beeinflußt auch das Gehirn das Bewußtsein. Diese Idee vom Ursprung des Bewußtseins stimmt mit der Evolutionstheorie überein. Focus : Wie führen die Psychonen zur Unsterblichkeit? Eccles : Sie verbinden dieWelt des Geistesmit der Quantenphysik. Quanten können einzelne Vesikel veranlassen, ihre Membran zu öffnen und die Neurotransmitter auszuschütten. Unsterblichkeit könnte es geben, weil die Psychonen nicht materiell sind. Sie bleiben bestehen , auch wenn die Dendronen nach dem Tod vergehen. Die Kopplung mit den Quantenfeldern verbindet unser Bewußtsein womöglich mit dem " Weltgeist ", der das ganze Universum durchdringt - also mitGott . Dies läßt sich aber wohl nie beweisen. Das Geheimnis unserer Existenz ist größer, als wir uns je vorstellen können.

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