Das Buch der Geister

- 150 - Frage: (789) Wie kann der Mensch die Grenze des Notwendigen erkennen? Antwort: Der Weise erkennt sie durch unmittelbare Anschauung. Viele erkennen sie durch ihre Erfahrung und auf eigene Kosten. Frage: (790) Hat die Natur nicht durch unsere Organisation selbst die Grenzen der Bedürfnisse gezogen? Antwort: Ja, aber der Mensch ist unersättlich. Die Natur zog jene Grenze, aber die Laster haben seine Leibesbeschaffenheit gefälscht und verändert und ihm Bedürfnisse geschaffen, die gar keine mehr sind. Frage: (791) Was soll man von denen halten, welche die Güter der Erde an sich reißen, um sich Überflüssiges auf Kosten derer zu beschaffen, die am Notwendigsten Mangel leiden? Antwort: Sie verkennen Gottes Gesetz und werden die Entbehrungen, die sie verursachten, zu verantworten haben. Anmerkung: Die Grenze zwischen Notwendigem und Überflüssigem ist keine Unverrück- bare. Die Zivilisation schuf Notwendigkeiten, die der Wilde in seinem Zustande nicht kennt. Die Geister, die obige Kundgebungen zur Kenntnis gaben, behaupten aber nicht, daß der Zivilisierte wie ein Wilder leben solle. Frage: (792) Verpflichtet das Gesetz zur Selbsterhaltung zur Sorge für die Bedürfnisse des Leibes? Antwort: Ja, ohne Kraft und Gesundheit ist keine Arbeit möglich. Frage: (793) Ist es für den Menschen tadelnswert, nach Wohlbehagen zu trachten? Antwort: Wohlbehagen ist ein natürlicher Wunsch. Gott verbietet nur den Mißbrauch, weil dieser der Selbsterhaltung widerspricht. Gott sieht nichts Übles in dem Trachten nach Wohlbehagen, wenn diese auf niemandes Kosten erworben wird und weder die moralischen noch die physischen Kräfte schwächt. Frage: (794) Hat freiwillige Entsagung zwecks freiwilliger Sühne in Gottes Augen ein Verdienst? Antwort: Erweist den anderen Menschen Gutes und ihr werdet euch größeren Verdienst erwerben. Frage: (795) Gibt es überhaupt eine verdienstvolle freiwillige Entsagung? Antwort: Ja, die Entsagung gegenüber unnützen Genüssen, weil sie den Menschen vom Stoffe befreit und seine Seele erhebt. Das Verdienstvolle besteht im Widerstand gegen die Versuchung, die zum Übermaß oder zum Genusse unnützer Dinge reizt. Frage: (796) Sind asketische Kasteiungen, wie sie in Altertum und Mittelalter geübt wurden, irgendwie verdienstlich? Antwort: Fragt euch selbst, wem sie dienen, und ihr habt die Antwort. Dienen sie nur dem, der sie übt und den sie verhindern, Gutes zu tun, so sind sie Eigennutz, mit welchem Vorwande man sie auch verbrämt. Entsagen und für andere arbeiten, ist die wahre Kasteiung, denn sie entspricht der christlichen Nächstenliebe. Frage: (797) Ist die Enthaltung von gewissen Nahrungsmitteln, wie sie bei verschiedenen Völkern vorgeschrieben ist, in der Vernunft begründet? Antwort: Alles, wovon sich der Mensch ohne Schaden für seine Gesundheit ernähren kann, ist erlaubt. Gesetzgeber wollten sich durch gewisse Verbote, die sie als von Gott kommend bezeichneten, Achtung verschaffen.

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