Das Buch der Geister

- 150 - Leben der Seele. Daher werden diejenigen, deren Gesetze mit den ewigen Gesetzen des Schöpfers in Einklang stehen, leben bleiben und eine Leuchte sein für die anderen Völker. Frage: (876) Wird der Fortschritt einst alle Völker der Erde zu einer einzigen großen Nation vereinen? Antwort: Nein, nicht eine einzige Nation, das ist unmöglich. Aus der Verschiedenheit der Himmels- striche entstehen verschiedene Sitten und Bedürfnisse, die die Nationalität bestimmen. Darum wird es immer diesen Sitten und Bedürfnissen anpaßter Gesetze bedürfen. Anmerkung: Auch der Fortschritt der Völker stellt die Gerechtigkeit der Reinkarnation in ein helles Licht. Die rechtschaffenen Menschen machen Anstrengungen, eine Nation moralisch und intellektuell vorwärtszubringen. Aber während des langsamen Ganges durch die Jahrhunderte sterben täglich Tausende von Individuen. Was ist nun das Los derjenigen, die auf diesem Zuge unterliegen? Beraubt sie ihre verhältnismäßige Entwicklungsstufe des Glückes? Göttliche Gerechtigkeit kann dies nicht zulassen. Durch die Vielfalt der Daseins- formen wird das Recht auf Glück für alle das gleiche. Jeder ist der Möglichkeit seines Fortschritts sicher. Schwierigkeiten bietet dagegen die Lehre von der Einheit der Daseinsformen. Nach ihr wird die Seele im Augenblick der Geburt geschaffen. Ist also ein Mensch weiter fort- geschritten als ein anderer, so muß Gott ihm eine entsprechende Seele geschaffen haben. Woher nun diese Bevorzugung? Was für einen Anspruch hat er auf eine höhergeartete Seele? Aber dies ist nicht Hauptschwierigkeit. Eine Nation geht in einem Jahrtausend von der Barbarei zur Zivilisation über. Lebten die Menschen tausend Jahre, würde man begreifen können, daß sie in dieser Periode Zeit zum Fortschritt hatten. Aber täglich sterben Unzählige in jedem Lebensalter, sie erneuern sich unaufhörlich. Nach Ablauf jenes Jahrtausends ist keine Spur mehr von den alten Einwohnern zu finden. Die barbarische Nation ist eine zivilisierte geworden. Wer ist nun fortgeschritten? Die einst barbarischen Einzelmenschen? Die neuen Ankömmlinge? Aber wenn ihre Seele im Augenblick der Geburt geschaffen wurde, existierten diese Seelen noch nicht zur Zeit der Barbarei. Dann muß man zugestehen, daß die zur Zivilisierung eines Volkes gemachten Anstrengungen die Macht haben, nicht unvollkommene Seelen zu bessern, sondern von Gott vollkommenere Seelen schaffen zu lassen. Die zur Zeit der Zivilisation geborenen Seelen haben ihre Kindheit wie alle anderen. Aber sie haben schon gelebt und wurden durch frühere Fortschritte vervollkommnet geboren. Sie kommen, angezogen von einer ihnen sympathischen Umgebung, die zu ihrem gegenwärti- gen Standpunkt im Verhältnis steht. Hierin liegt auch der Schlüssel zum Fortschritt der gesamten Menschheit. Frage: (877) Ist die Zivilisation ein Fortschritt oder, wie manche Philosophen meinen, ein Nieder- gang der Menschheit? Antwort: Ein unvollständiger Fortschritt. Der Mensch springt nicht plötzlich von der Kindheit ins reife Alter hinein. Frage: (878) Zeugt es von Vernunft, die Zivilisation zu verdammen? Antwort: Verdammt die, die sie mißbrauchen, nicht aber das Werk Gottes. Frage: (879) Wird sich die Zivilisation wieder so weit reinigen, daß sie die von ihr erzeugten Übel wieder verschwinden läßt? Antwort: Ja, wenn der moralische Sinn ebensoweit wird entwickelt sein wie die Intelligenz. Die Frucht kann nicht vor der Blüte kommen. Frage: (880) Warum verwirklicht die Zivilisation nicht unmittelbar alles Gute, das sie hervor- bringen könnte?

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