Das Buch der Geister

- 155 - Frage: (977) Welches ist das erste aller natürlichen Rechte des Menschen? Antwort: Das Recht zu leben. Darum hat keiner das Recht, das Leben anderer Menschen anzugrei- fen, noch etwas zu tun, was seine leibliche Existenz gefährden könnte. Frage: (978) Gibt das Recht, zu leben, dem Menschen auch das Recht, so viel zu sammeln, daß er sich zur Ruhe setzen kann? Antwort: Ja, aber er soll es tun mit seiner Familie, mit ehrbarer Arbeit und soll nicht gleich alles wie ein Egoist zusammenraffen wollen. Sogar gewisse Tiere geben ihm das Beispiel weiser Voraussicht. Frage: (979) Hat der Mensch das Recht, das Gesammelte zu verteidigen? Antwort: Hat Gott nicht gesagt: du sollst nicht stehlen? Und Jesus: du sollst dem Kaiser geben, was des Kaisers ist? Anmerkung: Was der Mensch sich in ehrlicher Arbeit sammelt, ist sein gesetzmäßiges Eigentum. Er ist berechtigt, es zu verteidigen, denn das Eigentum ist als Frucht der Arbeit ein ebenso geheiligtes natürliches Recht, wie das, zu arbeiten und zu leben. Frage: (980 Liegt die Neigung zu besitzen in der Natur? Antwort: Ja, aber wenn du nur um deiner selbst und zur persönlichen Befriedigung besitzen willst, so ist das Eigennutz. Frage: (981) Ist der Wunsch zu besitzen nicht auch ein berechtigter, da ja der, welcher zu leben hat, niemandem zur Last fällt? Antwort: Es gibt unersättliche Menschen, die ohne zu jemandes Nutzen alles zusammenraffen. Meinst du, das werde von Gott gut angesehen? Der hingegen, der sich mit seiner Arbeit Schätze sammelt, um anderen zu helfen, übt das Gesetz der Liebe zu Gott und dem Nächsten; und Gott wird seine Arbeit segnen. Frage: (982) Worin besteht das Wesen des rechtmäßigen Eigentums? Antwort: Es gibt kein anderes rechtmäßiges Eigentum, als das, welches ohne Nachteil für andere erworben wurde. Frage: (983) Ist das Eigentumsrecht ein unbeschränktes? Antwort: Ohne Zweifel ist alles rechtmäßig erworbene Gut ein Eigentum. Da jedoch, wie gesagt, die menschliche Gesetzgebung eine unvollkommene ist, schafft sie oft Rechte des Herkom- mens, die von der natürlichen Gerechtigkeit verdammt werden. Frage: (984) Was ist der wahre Sinn des Wortes "Nächstenliebe" oder "Menschenliebe", wie Jesus es verstand? Antwort: Wohlwollen gegen jedermann, Nachsicht gegen die Unvollkommenheit anderer, Verzei- hung der Kränkungen und Beleidigungen. Frage: (985) Jesus sagte: Liebet selbst eure Feinde. Widerspricht die Feindesliebe nicht unseren natürlichen Gefühlen? Kommt sie nicht vom Mangel an Sympathie zwischen den Geistern? Antwort: Ohne Zweifel kann man zu einem Feinde keine zärtlichen und leidenschaftlichen Gefühle fassen. Das wollte Jesus auch nicht sagen. Die Feinde lieben heißt: ihnen verzeihen, und Böses mit Gutem vergelten. Dadurch stellt man sich über sie, durch Rache aber stellt man sich unter sie. Frage: (986) Was ist vom Almosen zu halten?

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