Das Buch der Geister

- 157 - lich. Das Gute ist für sie eine Gewohnheit geworden. Da ihr noch weit von der Vollkommenheit entfernt seid, wundern euch diese Beispiele durch ihren Kontrast und ihr bewundert sie umso mehr, je seltener sie vorkommen. Aber wißt, daß auf den fortgeschrit- teneren Welten das, was bei euch eine Ausnahme ist, die Regel bildet. Das Gefühl und Begehren des Guten ist dort überall ein freiwilliges, weil da nur gute Geister wohnen und eine einzige schlechte Absicht wäre dort eine ungeheuerliche Ausnahme. Darum sind die Menschen dort auch glücklich. Frage: (994) Was ist, abgesehen von den Fehlern und Lastern über die niemand im Irrtum sein kann, das ganz besondere Zeichen der Unvollkommenheit? Antwort: Es ist das persönliche Interesse. Ein Mensch kann Eigenschaften haben, die ihn für die Welt zum rechtschaffenen Menschen stempeln. Aber wenn diese auch ein Fortschritt sind, so vertragen sie nicht immer gewisse Prüfungen. Die wahre Selbstlosigkeit ist auf der Erde eine so seltene Sache, daß man sie wie ein Phänomen bewundert, wenn sie sich einmal zeigt. Frage: (995) Es gibt uneigennützige Leute ohne Unterscheidungsvermögen, die ihre Habe ohne jeden Nutzen verschwenden. Haben sie ein Verdienst? Antwort: Sie haben das Verdienst der Uneigennützigkeit, aber kein Verdienst um das Gute, das sie tun könnten. Ist Uneigennützigkeit eine Tugend, so ist sinnlose Verschwendung stets ein Mangel an Urteilskraft. Vermögen wird dem einen ebensowenig gegeben, um es in alle Winde zu zerstreuen, als dem anderen, um es in einer Geldkiste zu vergraben. Es ist ein anvertrautes Gut, über dessen Verwendung sie einst werden Rechenschaft geben müssen. Frage: (996) Ist der tadelnswert, der Gutes nur in Erwartung einer Belohnung im anderen Leben tut, oder schadet er seinem Fortschritt? Antwort: Man muß das Gute aus Nächstenliebe tun, d. h. mit Uneigennützigkeit. Frage: (997) Jeder wünscht aus diesem mühevollen Leben herauszukommen. Auch Geister lehren, zu diesem Zwecke Gutes zu tun. Ist es unrecht, wenn man denkt, tue Gutes und dir selbst wird es zugutekommen? Antwort: Gewiß nicht, wer aber das Gute aus reiner Lust ohne Hintergedanken tut, um damit Gott und seinem Nächsten angenehm zu sein, ist schon auf einer Stufe des Fortschritts, die ihn viel schneller das Glück erreichen lassen wird als jenen, der das Gute aus Berechnung tut, ohne von der natürlichen Wärme seines Herzens dazu angetrieben zu werden. Frage: (998) Muß man nicht unterscheiden zwischen dem Guten, das man seinem Nächsten erweisen kann und seiner Mühe, sich von eigenen Fehlern zu reinigen? Antwort: Nein, nein, mit Gutes tun meinen wir direkt Nächstenliebe. Wer da berechnet, was jede gute Handlung ihm im künftigen oder auch im jetzigen Leben schon eintragen kann, ist selbstsüchtig. Frage: (999) Da das leibliche Leben nur ein zeitweiliger Aufenthalt auf Erden ist und unsere Zukunft uns hauptsächlichste Beschäftigung sein soll, hat es da noch Nutzen, sich um die Erwerbung wissenschaftlicher Kenntnisse zu bemühen, die nur materielle Dinge betreffen? Antwort: Doch, ohne Zweifel! Dies setzt euch zunächst in den Stand, eure Brüder zu unterstützen, sodann wird euer Geist sich schneller erheben, wenn er schon Fortschritte in der Intelligenz gemacht hat. Keine Kenntnis ist unnütz! Alle tragen mehr oder weniger zum Fortschritt bei, weil der vollkommene Geist alles wissen muß und alle erworbenen Ideen zur Entwick- lung des Geistes beitragen. Frage: (1000) Von zwei reichen Menschen ist der eine im Reichtum geboren, der andere verdankt

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