Das Buch der Geister

- 162 - Viertes Buch: Die Hoffnungen und Tröstungen Die irdischen Leiden und Freuden Frage: (1023) Kann der Mensch auf Erden ein reines Glück genießen? Antwort: Nein, denn das Leben wurde ihm als Prüfung und zur Sühne gegeben. Es hängt aber von ihm ab, seine Leiden zu mildern und so glücklich zu werden, als man es überhaupt auf Erden sein kann. Frage: (1024) Man versteht, daß der Mensch einst glücklich auf Erden sein wird, wenn sich das Menschengeschlecht wird gewandelt haben. Kann sich nicht schon jetzt jeder ein kleines, im Verhältnis stehendes Glück sichern? Antwort: Meistens ist der Mensch der Schmied seines eigenen Unglücks. Tut er Gottes Willen, erspart er sich sehr viele Übel und schafft sich die Glückseligkeit, die sein grobes Dasein noch verträgt. Frage: (1025) Das irdische Glück steht im Verhältnis zur Lage eines Menschen. Gibt es trotzdem einen Maßstab des Glückes, der für alle Menschen gültig wäre? Antwort: Für das materielle Leben ist der Besitz des Notwendigen der Maßstab, für das sittliche Leben ein gutes Gewissen und der Glaube an die Zukunft. Frage: (1026) Wird nicht das, was für den einen das Überflüssige ist, für die anderen zum Notwendigen, und umgekehrt, je nach ihrer Stellung? Antwort: Ja, nach euren stofflichen Ansichten, euren Vorurteilen, eurem Ehrgeiz und allen euren lächerlichen Verschrobenheiten, mit denen die Zukunft aufräumen wird, wenn ihr die Wahrheit erkennen werdet. Der Weise blickt, um glücklich zu sein, unter sich und niemals über sich, es sei denn, seine Seele zum Unendlichen zu erheben. Frage: (1027) Es gibt Übel, die nicht von unserer Handlungsweise abhängen, und die auch den Gerechtesten treffen. Besitzt dieser kein Mittel, um sich davor zu schützen? Antwort: Er muß in solchem Falle entsagen und seine Leiden ohne Murren tragen, wenn er fortschreiten will. Frage: (1028) Warum begünstigt Gott gewisse Menschen, die es nicht zu verdienen scheinen, mit Glücksgütern? Antwort: Das ist eine Gunst in den Augen derer, die nur die Gegenwart sehen. Aber wisse du, das Glück ist oft eine gefährlichere Prüfung als das Elend! Frage: (1029) Wird die Zivilisation, indem sie neue Bedürfnisse schafft, nicht auch zur Quelle neuer Trübsale? Antwort: Die Übel dieser Welt stehen im Verhältnis zu den künstlichen Bedürfnisse, die ihr euch selbst schafft. Wer seine Wünsche zu beschränken weiß und neidlos sieht, was über ihm steht, erspart sich manche Verrechnung in diesem Leben. Der Reichste ist der, welcher am wenigsten Bedürfnisse hat. Frage: (1030) Ist demnach das Unglück derer, die des Notwendigsten beraubt sind, kein wirkli- ches Unglück? Antwort: Der Mensch ist nur dann wahrhaft unglücklich, wenn er an dem, was zum Leben oder zur Gesundheit des Leibes notwendig ist, Mangel leidet. Frage: (1031) Durch die Verschiedenheit der natürlichen Begabung weist uns Gott augenschein- lich

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