Das Buch der Geister

- 19 - Frage: (10) Vermag der Mensch das innerste Wesen Gottes zu erkennen? Antwort: Nein. Dazu fehlt ihm einSinn. Frage: (11) Wird es dem Menschen einst vergönnt sein, das Geheimnis Gottes zu erfassen? Antwort: Wenn die Materie nicht mehr seinen Geist verdunkelt und er durch Selbstvervollkomm- nung sich Ihm genähert haben wird, dann wird er Ihn schauen und begreifen. Je mehr sich der moralische Sinn des Menschen entwickelt, desto weiter dringt sein Denken zum Urgrund der Dinge vor und er bildet sich von demselben eine richtigere, wenn auch immer noch unvollständige Vorstellung. Frage: (12) Wenn wir das innerste Wesen Gottes nicht erfassen können, vermögen wir uns wenigstens eine Vorstellung von einigen Seiner Vollkommenheiten zu machen? Antwort: Ja, von einigen derselben. Der Mensch erkennt diese, je mehr er sich über die Materie erhebt, er ahnt sie in Gedanken. Frage: (13) Wenn wir sagen, Gott ist ewig, unendlich, unveränderlich, allmächtig, allgütig usw., haben wir dann nicht einen vollständigen Begriff von Seinen Eigenschaften? Antwort: Von eurem Standpunkte aus schon, weil ihr glaubt, alles umfassen zu können. Aber wisset, es gibt Dinge, welche die Erkenntnis auch der begabtesten Menschen überragen und für die eure Sprache, die sich ja innerhalb eurer Vorstellungen und Gefühle bewegt, keinen Ausdruck mehr besitzt. Die Vernunft sagt euch zwar, daß Gott jene Vollkommenheiten besitzen muß, denn hätte Er sie nicht alle und in unendlichem Maße, so stände Er nicht über allem und wäre nicht Gott. Um über allen Dingen zu stehen, darf kein Wechsel in ihm sein und er darf keine Unvollkommenheiten haben, die der Einbildungskraft etwa vorschweben könnten. Frage: (14) Ist Gott ein durch sich selbst bestehendes Wesen, oder sollte Er, wie manche meinen, nur das Kraftprodukt sämtlicher Kräfte und Intelligenzen des Weltganzen sein? Antwort: Wenn dies der Fall wäre, so wäre Gott überhaupt nicht, denn er wäre dann die Wirkung und nicht die Ursache. Beides zugleich aber kann Er nicht sein. Gott existiert, ihr dürft daran nicht zweifeln. Versucht hier nicht weiter vorzudringen. Verirrt euch nicht in Labyrinthe, aus denen ihr nicht mehr herausfändet. Es würde euch nicht besser machen, dafür aber hochmütiger, weil ihr zu wissen meint und doch nichts wißt. Laßt alle diese Grübeleien beiseite. Es gibt genügend Dinge, die euch näher angehen. Fangt bei euch selbst an, sucht eure eigenen Unvollkommenheiten zu erkennen, um sie ablegen zu können. Das wird nützlicher sein, als das Undurchdringliche durchdringen zu wollen. Frage: (15) Was sollen wir von der Ansicht halten, daß alle Naturkörper, Wesen, Welten des Alls, Teile der Gottheit wären und in ihrer Gesamtheit die Gottheit selbst bilden, mit anderen Worten, vom Pantheismus? Antwort: Weil der Mensch sich nicht selbst zu Gott machen kann, so will er wenigstens ein Teil Gottes sein. Frage: (16) Die Bekenner dieser Lehre behaupten, daß sie mit ihr den Nachweis einiger Eigen- schaften Gottes führen können: Sind die Welten unendlich, muß auch Gott unendlich sein, ist nirgends ein Nichts, muß Gott überall sein. Ist er überall, so gibt er, da alles Bestandteil Gottes ist, allen Naturerscheinungen einen vernünftigen Sinnesgrund. Was kann man diesen Folgerungen entgegenstellen? Antwort: Die Vernunft. Denkt reiflich nach, und es wird euch nicht schwer werden, deren Unge- reimtheit zu erkennen. Anmerkung: Der Pantheismus macht aus Gott ein, wenn auch mit höchster Intelligenz

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