Das Buch der Geister

- 150 - des Stoffes. Er ist das Prinzip des organischen Lebens, nicht aber des intellektuellen Lebens, denn Letzteres liegt im Geiste selbst. Ferner ist er das Agens bei den äußeren Empfindungen. Im Leibe sind diese Empfindungen durch die Organe, die ihnen als Vermittler dienen, lokalisiert. Ist der Leib aber zerstört, sind die Empfindungen nur noch allgemeine. Darum sagt der Geist nicht, daß er etwa am Kopfe oder an den Füßen Schmerz empfinde. Dennoch ist es andererseits nicht nur ein moralisches Leiden, wie die Reue, wenn er sich über Kälte oder Hitze beklagt. Im Winter leidet er nicht mehr als im Sommer. Wir sahen Geister durch das Feuer gehen, ohne Schmerzen zu empfinden. Temperatur macht also keinen Eindruck auf sie. Ihr Schmerz ist daher kein leiblicher, er ist ein unbestimmtes inneres Gefühl, von dem sich der Geist selbst nicht immer Rechenschaft gibt, weil der Schmerz eben nicht auf einen bestimmten Ort begrenzt und nicht durch äußerlich wirkende Kräfte hervorgebracht wird. Er ist eher eine Erinnerung als eine Wirklichkeit. Zuweilen ist er auch mehr als nur bloße Erin- nerung. Die Erfahrung lehrt, daß im Augenblick des Todes der Perisprit sich mehr oder weniger langsam vom Leibe ablöst, daß der Geist sich seine Lage nicht zu erklären weiß, daß er noch zu leben glaubt. Dort sieht er seinen Leib liegen und er weiß, daß er ihm gehört, begreift aber nicht, daß er davon getrennt ist. Dieser Zustand dauert so lange, als noch ein Band zwischen Leib und Perisprit besteht. Während seines Lebens empfängt der Leib seine Eindrücke von außen und überträgt sie auf den Geist durch Vermittlung des Perisprits, der wahrscheinlich das sogenannte Nervenfluidum bildet. Ist der Leib tot, so empfindet er nichts mehr, weil weder der Geist noch die Geisteshülle, also der Perisprit, in ihm ist. Der Perisprit, vom Leibe gelöst, hat die Empfindung, aber da sie ihm nicht mehr durch ein bestimmtes Organ zugeleitet wird, ist sie nur eine allgemeine. Da es nun in Wirklichkeit nur eine Überleitungskraft gibt, da der Geist es ist, der das Bewußtsein hat, so folgt daraus, daß der Perisprit, könnte er ohne Geist existieren, auch nicht mehr empfinden würde als der tote Leib. Umgekehrt, daß, wenn der Geist keinen Perisprit hätte, er unangenehmen Empfindungen nicht mehr zugänglich wäre, und das haben wir bei den ganz reinen Geistern. Wir wissen, daß das Wesen des Perisprits desto ätherischer wird, je mehr sie sich reinigen. Daraus folgt weiter, daß der Einfluß des Stoffes in dem Maße abnimmt, als der Geist fortschreitet, d. h. also, als der Perisprit selbst weniger grob wird. Nun wird man aber einwenden, daß die angenehmen Empfindungen so gut wie die unangenehmen dem Geiste durch den Perisprit vermittelt werden, daß er also beiden zugängig sein müsse. Ja, ohne Zweifel, denjenigen, die ausschließlich vom Einfluß des uns unbekannten Stoffes herkommen. Der Ton unserer Instrumente, der Duft unserer Blumen macht auf ihn keinen Eindruck mehr. Aber es gibt dafür bei ihm innere Gefühle, von denen wir uns keine Vorstellung machen können, da wir hier wie Blindgeborene gegenüber dem Lichte sind. Wir wissen, daß so etwas existiert, aber auf welche Weise, wissen wir nicht. Es gibt eine Wahrnehmung, Empfindung, ein Hören und Sehen. Diese Fähigkeiten sind Eigenschaften eines ganzen Wesens und nicht, wie beim Menschen, nur eines Teiles von ihm. Aber durch welche Vermittlung wissen wir nicht, und die Geister selbst können uns darüber nicht belehren, weil unsere Sprache diese Ideen nicht ausdrücken kann. Wenn wir von der Unzulänglichkeit der Geister für die Eindrücke unseres Stoffes sprechen, so meinen wir damit die ganz hohen Geister mit einer Ätherhülle, die bei uns auf Erden ohne Beispiel ist. Es gilt nicht für jene, deren Perisprit dichter ist. Diese nehmen unsere Töne und Gerüche wahr, jedoch nicht durch einen bestimmten Teil ihrer Individualität, wie zu Lebzeiten. Man könnte sagen, daß molekulare Schwingungen sich in ihrem Wesen fühlbar machen und so zu ihrem Gesamtsinn gelangen, welches der Geist selbst ist, obgleich auf eine verschiedene Weise und vielleicht mit verschiedenem Eindruck. Sie hören den Ton unserer Stimme und doch verstehen sie uns ohne Worte, durch die einzige Ver- mittlung des Gedankens. Was unsere Behauptung noch unterstützt, ist, daß dieses Auffassungsver- mögen mit der Entstofflichung des Geistes größer wird. Was das Gesicht betrifft, ist es unabhängig von unserem Lichte. Die Fähigkeit des Sehens ist eine wesentliche Eigenschaft der Seele. Für sie gibt es keine Dunkelheit, doch entwickelter und durchdringender ist sie bei den am meisten Gereinigten. Die Seele oder der Geist hat also an sich die Fähigkeit zu allen Wahrnehmungen. Diese aus dem sie umgebenden Elemente geschöpfte Hülle wechselt je nach der Natur der Welten. Die Geister wechseln sie, wenn sie von einer Welt in die andere übergehen, wie wir vom Winter zum

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