Das Buch der Geister

- 150 - Er erlangt im Schlafe einen Teil seiner Freiheit wieder und verkehrt mit seinen Lieben in dieser oder der jenseitigen Welt. Da der Leib aber schwerer, grober Stoff ist, behält er nur mit viel Mühe die Eindrücke, die der Geist empfangen, weil sie ihm nicht durch Organe des Leibes übermittelt wurden. Frage: (436) Was ist von Bedeutungen zu halten, die man Träumen beimißt? Antwort: Sie sind keineswegs im Sinne der Wahrsager und Traumdeuter als wahr anzunehmen. Es ist eine einfältige Meinung, daß Träume etwas Bestimmtes ankündigen. Wahr sind Träume nur in dem Sinne, daß sie dem Geiste wirkliche Bilder darbieten, die aber oft keinerlei Beziehungen zu den Begebnissen des leiblichen Lebens haben. Oft sind sie Erinnerungen - wenn Gott es gestattet, können es auch Ahnungen von künftigen Dingen sein. Oft sieht die Seele, was sich an einem anderen Ort ereignet, an dem sie sich gerade befindet. Viele Beispiele haben wir, wo Personen ihren Verwandten und Freunden im Traume erscheinen und ankündigen oder warnen. Diese Erscheinungen sind nichts anderes, als die Seele oder der Geist jener Personen, die mit dem eurigen in Verbindung treten. Frage: (437) Oft sieht man im Traume Dinge, die Vorahnungen sein können, sich aber doch nicht erfüllen. Woher kommt das? Antwort: Wenn schon nicht für den Leib, so können sie sich doch für den Geist erfüllen, er sieht, was er wünscht, weil er es finden wird. Da die Seele während des Schlafes stets mehr oder weniger unter dem Einfluß des Stoffes steht, ist sie nie ganz von irdischen Vorstellungen befreit. Womit man sich am Tage besonders beschäftigte, das kann als Eindruck zurück- geblieben sein und steigt nun auf. Man könnte glauben, Herbeigewünschtes oder Gefürch- tetes kündigt sich an, doch ist es nur die Einbildungskraft des Menschen. Frage: (438) Wenn wir im Traume lebende Bekannte oder Freunde sehen, die etwas tun, an das sie irdisch in keiner Weise denken, ist das nicht reine Wirkung der Einbildungskraft? Antwort: Woher weißt du, daß sie es in keiner Weise denken? Ihr Geist kann zu deinem auf Besuch kommen, so wie dein Geist den ihrigen besuchen kann, und du weißt nicht immer, woran er denkt. Auch übertragt ihr oft das, was in anderen Existenzen geschehen ist, je nach euren Wünschen auf bekannte Personen. Frage: (439) Ist der vollständige Schlaf zur Befreiung des Geistes notwendig? Antwort: Nein, er empfängt schon seine Freiheit wieder, sobald die Sinne ermatten. Sowie die Lebenskräfte sinken, macht sich der Geist los und je schwächer der Leib ist, desto stärker erhebt er sich. Anmerkung: So bietet der Halbschlaf oder eine einfache Erschlaffung des Sinnenlebens oft die gleichen Bilder dar wie der Traum. Frage: (440) Zuweilen glauben wir in uns selbst deutlich gesprochene Worte zu hören, die keine Beziehung zu dem haben, was uns gerade beschäftigt. Woher kommt das? Antwort: Nicht nur Worte, auch ganze Sätze, besonders wenn die Sinne zu erschlaffen beginnen. Zuweilen ist dies der schwache Widerhall eines Geistes, der mit dir verkehren will. Frage: (441) Oft sehen wir in einem Zustand, der noch kein Halbschlaf ist, mit geschlossenen Augen deutliche Bilder und Figuren, sogar in ihren kleinsten Einzelheiten. Ist dies Einbil- dungskraft oder die Wirkung einer Vision? Antwort: Wenn der Leib erschlafft ist, sucht der Geist seine Ketten zu brechen: Er zieht aus und schaut. Wäre der Schlaf vollständig, so wäre dies ein Traum.

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