Das Buch der Medien

- 10 - Der Glaube an Geister bildet zweifelsohne die Grundlage, doch er genügt nicht mehr als Bildungsgrad für einen Spiritisten, ebensowenig, als der Glaube an Gott genügend ist, einen Theologen zu machen. Auf welche Art kommt man hier am sichersten zum Ziel? Allgemein glaubt man, daß es zur Überzeugung genügend sei, auf Tatsachen hinzuweisen. Das scheint zwar der richtige Weg zu sein, aber die Erfahrung lehrt uns, daß es nicht immer der beste Weg ist. Man trifft oft Personen, die sich selbst durch die offenkundigsten Tatsachen nicht überzeugen lassen. Woran liegt das? Im Spiritismus ist die Frage nach Geistern eine Nebenfrage und eine Schlußfolgerung. Sie ist nicht das Ziel unserer Untersuchung und schafft den Fehler, der uns gewissen Personen gegenüber zu Falle bringt. Da die Geister nichts anderes sind als die Seelen der Menschen, so ist der wahre Punkt der Diskussion das Dasein der Seele. Wie kann der Materialist zugeben, daß noch Wesen außerhalb der materiellen Welt bestehen, wenn er glaubt, daß er selbst nichts anderes als Materie ist? Wie kann er an Geister außerhalb seiner Person glauben, wenn er nicht einmal glaubt, daß er selbst einen besitzt? Umsonst und vergeblich würde man vor seinen Augen die greifbarsten Beweise anhäufen, er wird alle bestreiten, weil er doch das Prinzip nicht anerkennt! Jeder methodische Unterricht muß vom Bekannten zum Unbekannten schreiten. Für den Materialisten ist das Bekannte die Materie. Geht daher bei ihm von der Materie aus, trachtet ihn bei ihrer Beobachtung zu überzeugen, daß in ihr etwas bestehe, das sich den Gesetzen der Materie entzieht. Kurz gesagt: Bevor ihr ihn zum Spiritisten macht, trachtet ihn zuvor zum Spiritualisten zu machen. Und da gibt es eine andere Ordnung der Dinge, eine ganz besondere Belehrung durch andere Mittel. Ihm von Geistern zu reden, bevor man ihn vom Besitze einer Seele überzeugt hat, hieße dort anfangen, wo man endigen sollte. Bevor man daher einen Ungläubigen überzeugt, und sei es durch Tatsachen, ist es nötig, seine Meinung über die Seele zu kennen, d. h. ob er auch an seine Weiterexistenz, an sein Überleben des Körpers, an seine Individualität nach seinem Tode glaube. Ist seine Antwort verneinend, dann wäre es eine vergebliche Mühe, mit ihm von Geistern zu reden. Dies ist eine Regel. Unter den Materialisten muß man zwei Klassen unterscheiden: Die erste Klasse sind diejenigen, die es aus Prinzip sind. Bei diesen besteht kein Zweifel, es ist eine völlige Ableugnung, die sie auf ihre Art verteidigen. In ihren Augen ist der Mensch nichts als eine Maschine, die nur solange geht, als sie aufgezogen ist, die sich abnutzt und von der nach dem Tode nichts anderes übrig bleibt als das Gerippe. Die meisten von ihnen beharren aus Stolz auf ihrer Meinung. Aus Eigenliebe glauben sie, darauf beharren zu müssen. Und sie verbleiben dabei trotz und gegen alle Beweise des Gegenteils, weil sie nicht unterliegen wollen. Mit solchen Leuten ist nichts anzufangen. Man darf sich nicht einmal durch die Ehrlichkeit jener täuschen lassen, die da sagen: "Laßt mich sehen, und ich werde es glauben!" Es gibt auch solche, die noch viel weiter gehen und sagen: "Ich werde sehen, und dennoch nicht glauben!" Die zweite Klasse der Materialisten, und zwar die viel zahlreichere, denn der wahre Materialismus ist eine widernatürliche Denkart, umfaßt jene, die es aus Gleichgültigkeit sind, und man kann sagen, in Ermangelung des Besseren. Sie sind es nicht aus überlegtem Vorsatze, und sie wünschen nichts sehnlicher, als glauben zu können, denn die Unwissenheit ist für sie eine Qual. Bietet ihnen daher etwas Vernünftiges, und sie werden es mit Eifer annehmen. Diese können es auch begreifen, denn sie sind uns viel näher, als sie es selbst glauben. Mit den ersteren redet nie von der Offenbarung, nie von den Engeln oder vom Paradiese, sie würden es nicht verstehen. Versetzt euch in ihre Lage und beweist ihnen anfangs, daß die Gesetze der Physiologie noch nicht alles zu erklären vermögen, das andere kommt dann von selber. Anders aber verhält sich die Sache, wenn der Unglaube nicht ein vorsätzlicher ist, denn dann ist der Glaube nicht gleich Null, er ist ein erstickter Keim, den man wieder beleben kann. Es ist ein Blinder, dem man sein Gesicht wieder gibt und der sich glücklich schätzt, wieder sehen zu können. An der Seite der Materialisten gibt es eine dritte Klasse von Ungläubigen, die dem Namen nach zwar Spiritualisten, aber dennoch sehr widerspenstig sind. Das sind die Ungläubigen aus bösem Willen. Sie weigern sich zu glauben, denn dieses würde ihre Ruhe beim Genuß der materiellen Freuden trüben. Sie fürchten darin die Verdammung ihres Ehrgeizes, ihrer Selbstsucht, ihrer menschlichen Schwächen zu finden, so lange diese ihr Vergnügen bilden. Sie schließen ihre Augen, um nicht zu sehen, verstopfen ihre Ohren, um nicht zu hören. Diese kann man nur bedauern.

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