Das Buch der Medien

- 67 - Sehende Medien Sehende Medien sind mit der Fähigkeit begabt, Geister zu sehen. Es gibt deren solche, die diese Gabe als Normalzustand besitzen, also wenn sie vollkommen wach sind, und sie behalten eine vollkommene Erinnerung an das Gesehene. Andere besitzen sie nur im somnambulen Zustande. Diese Fähigkeit ist selten bleibend. Sie ist fast immer die Wirkung einer augenblicklichen, vorübergehenden Krise. Man kann in die Kategorie der sehenden Medien alle mit dem "Zweiten Gesicht" begabten Personen einreihen. Die Möglichkeit, Geister im Traume zu sehen, ist ohne Zweifel das Ergebnis einer Art Medialität, bildet aber keine sehenden Medien. Das sehende Medium glaubt mit den Augen zu sehen wie jene, die das "Zweite Gesicht" haben. Aber in Wirklichkeit sieht die Seele, und dies ist der Grund, warum sie ebensogut mit geschlossenen wie mit offenen Augen sehen. Daraus folgt, daß ein Blinder die Geister ebensogut sehen könnte wie ein Sehender. Geister, die in ihrem menschlichen Leben blind gewesen sind, haben uns berichtet, daß sie bei Lebzeiten durch ihre Seele bestimmte Gegenstände wahrgenommen haben, und daß sie durchaus nicht in schwarze Finsternis gehüllt waren. Man muß die zufälligen und die spontanen Geistererscheinungen von der Gabe, Geister zu sehen, unterscheiden. Erscheinungen sind recht häufig, besonders im Augenblick des Sterbens von Personen, die man geliebt und gekannt hat und die nun kommen um uns anzukündigen, daß sie diese Welt verlassen haben. Die Sehfähigkeit besteht in der, wenn nicht bleibenden, so doch sehr häufigen Möglichkeit, den ersten besten angekommen Geist zu sehen, auch wenn er uns fremd ist. Das ist die Gabe, die sogenannte sehende Medien besitzen. Unter ihnen gibt es solche, die nur Geister sehen, die man ruft und von denen sie eine genaue Beschreibung geben können. Und andere gibt es, bei denen diese Fähigkeit noch allgemeiner ist: sie sehen die ganze Geister-Bevölkerung, die uns umgibt, sehen sie kommen und gehen und ihren Beschäftigungen obliegen. Die Gabe, Geister zu sehen, kann sich ohne Zweifel entwickeln, aber es ist eine jener Gaben, deren natürliche Entwicklung man ohne Nachhilfe abwarten soll, wenn man nicht das Spiel seiner Einbildungskraft werden will. Ist die Anlage zu einer Befähigung vorhanden, so äußert sie sich von selbst. Man sollte sich überhaupt mit dem begnügen, was uns Gott verliehen hat und nichts Unmögliches begehren, man könnte Gefahr laufen, auch noch das zu verlieren, was man hat. Wenn wir gesagt haben, daß die spontanen Geistererscheinungen häufig vorkommen, wollten wir damit nicht ausdrücken, sie seien sehr alltäglich. In Bezug auf die sehenden Medien im eigentlichen Sinne sind sie noch seltener und man muß dem Medium mißtrauen, das behauptet, diese Gabe zu besitzen. Es ist ratsam, dies erst nach Beweisen zu glauben. Es gibt hier sichere Kontrollen, zum Beispiel die Genauigkeit des Aussehens der Geister, die das Medium nie gesehen hat. Hier ein Beispiel: Eine Witwe, deren Mann sich ihr oft mitteilte, befand sich eines Tages bei einem sehenden Medium, das sie ebensowenig wie ihre Familie kannte. Das Medium sagte zu ihr: "Ich sehe einen Geist an Ihrer Seite." Die Frau entgegnete: "Ach, das ist ohne Zweifel mein Mann, der mich fast nie verläßt." Doch das Medium entgegnete: "Nein, es ist eine Frau von höherem Alter, sie ist auf eine einfache Art frisiert und trägt ein weißes Band auf der Stirn." Nach dieser Beschreibung und nach anderen noch festgestellten Tatsachen erkannte die Dame mit voller Sicherheit ihre Großmutter wieder, an die sie zu jener Zeit gar nicht gedacht hatte. Wollte das Medium seine Sehergabe nur vortäuschen, wäre ihm die Anpassung an die Vermutungen der Dame leicht gewesen. Dieses Vorkommnis beweist noch eine andere Tatsache, daß nämlich das Sehen des Mediums nicht ein Reflex der fremden Gedanken war. Somnambule Medien Der Somnambulismus kann als eine Abart der medialen Gabe betrachtet werden. Besser gesagt, es sind zwei Arten von Phänomenen, die sehr oft vereinigt angetroffen werden. Der Somnambule handelt unter dem Einfluß seines eigenen Geistes, es ist seine Seele, die im Augenblick der Befreiung sieht, hört und außerhalb der Grenzen seiner irdischen Sinne wahrnimmt. Was er sagt, schöpft er aus sich selbst. Seine Gedanken sind gewöhnlich richtiger als im Normalzustande. Seine Kenntnisse sind ausgedehnter, weil seine Seele frei ist. Mit einem Worte: er lebt das Leben der Geister. Ein Medium ist im Gegenteil hierzu das Werkzeug einer fremden Intelligenz, es ist passiv und was es sagt, kommt nicht von ihm. Der Somnambule drückt also seine eigenen, das Medium aber fremde Gedanken aus. Aber

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3