FREMDE bei den Vereinten Nationen

- 5 - Dann stürmte der Russe in die Wandelhalle, umgeben von seinem Gefolge, behende, wie ein wilder Bär. Sofort bildete er den Hauptanziehungspunkt. Sogar diejenigen, die ihn haßten und fürchteten, kamen näher heran, um zu hören, was er vielleicht sagen würde. Er durchquerte die Wandelhalle, riß Witze, klopfte Leuten auf den Rücken und schüttelte Hände. Dann hielt er Hof. Die Diplomaten drängten sich um ihn herum, und alle hingen an seinen Worten. Plötzlich, wie auf Signal, teilte sich die Menge und der Russe stand dem FREMDEN von Angesicht zu Angesicht gegenüber. 'Wohlwollen' schrie der Russe, 'das ist eine Phrase zum Einschläfern. Aber wir schlafen nicht. Die Kannibalen wollen uns entwaffnen, damit sie uns in ihre Kessel stecken können. Nur unsere militärische Macht hindert sie, uns zu vernichten und zu verschlingen. Wir können die Errungenschaften des Kommunismus nicht mit Wohlwollen verteidigen.' 'Sie haben eine große Militärmacht aufgebaut", gab der FREMDE zu. 'Das haben auch andere Nationen getan, die jetzt im Staube der Geschichte liegen. Von viel längerer Dauer ist eine große geistige Kraft. Ohne eine solche ist eine militärische Nation ein wildes Tier ohne Gewissen, das seine Begierden nicht beherrschen kann.' Der FREMDE lächelte. 'Wer', fragte er, 'profitiert aus einem Kampf zwischen Wölfen? Welcher der gebissenen Wölfe ist besser dran mit seinen Wunden? Solange Nationen Gewalt mit Gewalt begegnen, regiert Todesangst und nicht LIEBE die Welt. Haß erzeugt Haß, Gewalt fordert Gewalt heraus, ein Krieg sät den Samen für den nächsten. Wer soll diesen furchtbaren Kreislauf durchbrechen?' 'Sie reden von Frieden', sagte der Russe. 'Wir wollen den Frieden. Wir sind gegen den Krieg. Wir leben auf demselben Planeten wie die kapitalistischen Länder. Das einzige, was wir verlangen, ist Koexistenz. Die Menschen heiraten nicht immer aus Liebe, und doch leben sie ihr Leben in vernünftiger Harmonie zusammen aus.' "Diejenigen, die aus den menschlichen Beziehungen untereinander die LIEBE ausschalten, werden keinen Frieden finden", warnte der FREMDE sanft. "Sie haben Ihre Herrschaft ausgedehnt ohne die Zustimmung der Beherrschten. Gewalt und Angst mögen die Menschen Ihnen gehorchen lassen. Sie werden aber nicht sie lieben lassen. Und doch kann die Macht der LIEBE die Welt entwaffnen." Der Russe schnaubte wie ein wilder Bär. 'Die Kapitalisten lieben ihre Mitmenschen nicht', sagte er. 'Sie haben das Paradies für die Reichen geschaffen und eine Hölle für die Armen. Millionäre reden über ihren Glauben an Gott, aber sie rauben das Volk weiter aus. Das ist das Reich des Dollars.' 'Der Mensch ist nicht vollkommen', stimmte der FREMDE zu. 'Viele, die mit ihren Lippen beten, beten nicht mit dem Herzen an. LIEBE ist eine zarte Pflanze. Durch die Jahrhunderte ist sie gewachsen und hat geblüht und ist wieder vergangen. Sie hat viele Wurzeln - Aufrichtigkeit, Mitleid, Demut, Sanftmut - und sie alle gedeihen am besten in der Freiheit. Warum sind Sie so alarmiert über das einfache Wort LIEBE? Ein Mensch liebt darum seinen Nachbarn nicht weniger, weil er sein Land liebt. Er liebt sein Land nicht weniger darum, weil er die ganze Menschheit liebt. Aber ohne Freiheit kann wahre LIEBE nicht am Leben bleiben.' Der Russe blickte finster und knurrte dann: 'Genug von diesen Märchen über Freiheit. Die Kapitalisten rühmen sich ihrer freien Welt. Frei wovon? Die Arbeitslosen sind frei von Arbeit. Die Armen sind frei von Geld. In den kommunistischen Ländern bauen wir wahre Freiheit auf - Freiheit von Arbeitslosigkeit, von Hunger, von Ausbeutung. Die Kapitalisten sagen. 'Vertraue auf Gott, liebe deinen Nächsten, dann kommst du ins Paradies, wenn du stirbst.' Wir Kommunisten vertrauen auf unsere Arbeit. Wir wollen ein Paradies schaffen in diesem Leben, nicht im zukünftigen.' Der FREMDE seufzte. 'Ohne Geistesfreiheit hat das Wort keine Bedeutung. Alle Menschen möchten die guten Dinge dieser Erde haben. Aber es ist mehr Glücksgefühl in einer vollen Seele als in einem vollen Bauch. Das ist ein sonderbares Paradies bei Ihnen, das so viele Menschen veranlaßt, daraus zu fliehen.'

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