Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 14 - "Die Einschränkung der Verdienstmöglichkeit auf die Zeit des Erdenlebens beruht auf der freien Anordnung Gottes." (Ott S. 565). Und der Jesuit Brugger formuliert kühn: "Das aber ist gerade die Größe des Menschen, daß er, zwischen Geburt und Tod gestellt, über eine Ewigkeit entscheiden soll."17 Bei rechter Überlegung dieser Behauptung tauchen allerdings Fragen und Zweifel auf: Was passiert mit den Menschen, die wegen geringen Alters oder Bildung keine Entscheidungsfähigkeit haben? Warum sind die Prüfungsbedingungen der einzelnen Menschen so unterschiedlich? Welche Rolle spielen die sozialen Verhältnisse, die Umwelteinflüsse, denen der Mensch zwangsweise ausgesetzt ist? Und gesetzt den Fall, der Kirchenvater Cyprian hätte recht, wenn er sagt: "Ist man von hinnen geschieden, so ist keine Möglichkeit mehr für Buße, ohne Wirkung ist die Genugtuung" (Ott S. 565). Warum hat dann die Kirche bis heute nicht auf die finanziell recht einträgliche, aber wohl als nutzlos entlarvte Ablaßpraxis für Verstorbene verzichtet? Und wie steht es dann mit der Wirkung von bestellten Messen zum Wohle der Verstorbenen? Wie geht es nun - nach Lehre der Kirche - nach dem leiblichen Tod des Menschen weiter? Papst Benedikt XII. schreibt in der Constitutio "Benedictus deus" (29. Januar 1336), die Dogmencharakter besitzt (vergl. Vorwort zu DS 1000), sinngemäß: "Die Seelen der Gerechten sind und werden sein im Himmel und im Paradies sofort nach ihrem Tod . . . und zwar auch noch vor der Wiedervereinigung mit ihrem Leib und vor dem allgemeinen Gericht . . . sie schauen die göttliche Wesenheit in unmittelbarer Schau. Ferner bestimmen wir: Wie Gott allgemein angeordnet hat, steigen die Seelen derer, die in einer tatsächlichen schweren Sünde verscheiden, sofort in die Hölle hinab, wo sie von höllischen Qualen gepeinigt werden. Aber trotzdem werden am Tage des Gerichtes alle Menschen vor dem Richterstuhl Christi in ihrem Leibe erscheinen und Rechenschaft geben über ihre eigenen Taten." (vergl. DS 1000-4002) Im Anschluß an den Tod des Körpers erfolgt also ein besonderes Gericht mit vorläufiger Belohnung oder Bestrafung (vergl. Ott S. 566) und nach einer ungewissen Wartezeit dann noch einmal das allgemeine letzte Gericht am sogenannten "Jüngsten Tag". Der Sinn dieses letzten Gerichtes erscheint aber unverständlich, wenn es die Urteile des besonderen Gerichtes nur noch einmal wiederholt. Dieser inneren Widersprüche wegen hat diese Lehre auch zu verschiedenen theologischen Meinungsverschiedenheiten geführt. Neuerdings wird von modernen Theologen die sogenannte "Ganztod-Theorie" vertreten. Danach stirbt der ganze Mensch mit Leib und Seele: "Wir haben den Tod als wirkliches Ende hingestellt, als Zerbrechen von Leib und Seele, also völlige Zerstörung unserer Lebendigkeit und haben uns gegen jede Abschwächung des Todes gewehrt, gerade vom Gedanken des Todes als Gericht aus: seinen Charakter als Gericht behält das Sterben nur, wenn auch die Seele stirbt, wenn die Person das Nein Gottes als Zerbrechen ihrer gesamten Lebendigkeit erfahren muß."18 Gerhard Adler hat die Fragwürdigkeit dieser Ganztod-Theorie klar erkannt: 17 Brugger, a.a.O., S. 264 18 Althaus, a.a.O., S. 111

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