Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 24 - 7. Kritischer Rückblick auf die kirchliche Lehre Trotz aller Einwände und Zweifel muß die Kirche an ihren einmal verkündeten Lehrsätzen festhalten, da sie durch das Dogma der Unfehlbarkeit des Lehramtes keinem Irrtum, wie sie meint, im Laufe der Kirchengeschichte unterliegen konnte. Der Schriftsteller Pryse hat das auch richtig erkannt. Er sagt: "Das theologische Schema ist so aufgebaut, daß jedes seiner Teile von dem anderen abhängig ist, so daß das ganze Gebäude zusammenbricht, wenn irgendein Teil daraus entfernt wird ."27 Eingeengt und geistig gebunden durch ihre eigenen unwiderrruflichen Dogmensätze ist für die Kirche die Vorstellung unannehmbar, daß sich die Sphären Erde und Hölle nicht in einem geistig gleichbleibenden Bewußtseinszustand, sondern in einem Entwicklungsprozeß befinden könnten, der diese Bereiche schließlich auflöst und zum Positiven umwandelt. Die Naturwissenschaft hat jedoch für ihren Bereich längst nachgewiesen, daß nichts im ganzen Kosmos unveränderlich bleibt, sondern alles einem ständigen Evolutionsprozeß unterworfen ist, wie wir es am Beispiel der Menschheitsentwicklung vom Urmenschen zum Homo sapiens beobachten können, "Alles fließt!" sagt der Philosoph Heraklit in Übereinstimmung mit dem Wissenschaftler. Warum sollte im geistigen Bereich eine ewige Stagnation vorliegen? Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, wie sich die Bestrafung ohne Ende mit der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit vereinbaren läßt. Unverständlich bleibt die Strenge Gottes, wenn man bedenkt, daß Gott in seiner Allwissenheit einen eventuellen Abfall seiner Geschöpfe vorhersehen konnte, da er sie ja bewußt mit dem freien Willen ausgestattet hatte. Die Ewigkeit der Hölle als Strafe für die schwach gewordenen Kinder wäre dann schon in seinem Weltenplan vorgesehen gewesen. Die gleiche rigorose Haltung unterstellt die Kirche dem Gott der Liebe, wenn sie darauf besteht, daß jeder Mensch nur ein einziges Mal auf dieser Erde lebt und nur in diesem einen Leben die Chance der Bewährung und Entscheidung hat, um dann entweder zu Gott in den Himmel zu kommen oder für alle Zeit der ewigen Verdammnis ausgeliefert zu sein. Wie viele Menschen gibt es doch, die auf die Welt kommen, um körperlich und seelisch gepeinigt zu werden und von der Sonnenseite des Lebens bis zum Ende nichts erfahren! Es müssen doch Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes auftauchen, wenn man die ungleichen Startbedingungen der Menschen betrachtet. Es ist wohl ein beträchtlicher Unterschied, in einem guten oder schlechten Milieu aufzuwachsen, eine gute oder schlechte Erziehung zu bekommen, mit vielen oder wenigen Fähigkeiten begabt zu sein, in einer friedlichen oder kriegerischen Epoche zu leben, in ein Entwicklungsland oder in ein hochzivilisiertes Industrieland hineingeboren zu werden! Ungerecht erscheinen müssen auch die verschieden langen Zeiträume der Bewährungsprobe sowie die völlig ungleichen Prüfungsbedingungen der einzelnen Menschen: Der eine hat ein langes Leben voller Krankheiten und Sorgen, der andere kann in Gesundheit und Überfluß sorgenlos leben. Und am Ende kommt nach Meinung der Kirche derjenige in den Himmel, der das Glück hatte, noch rechtzeitig vor dem Sterben seine Sünden bereut und gebeichtet zu haben. Ein guter Mensch jedoch, der kurz vor seinem unverhofften Tod eine schwere Sünde begangen hat, verfällt unerbittlich der ewigen Hölle, auch wenn die Lebensbilanz ansonsten positiv wäre, denn nach dem Tod hört ja, laut kirchlicher Lehrmeinung, jede Verdienstmög-lichkeit auf. 27 Pryse, a.a.O., S. 61

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