Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 27 - Mystiker oder andere außergewöhnliche Menschen als Kundgaben aus der geistigen Welt bisher übermittelt haben, wird bestenfalls als "Privatoffenbarung" und "subjektive Glaubenserfahrung" toleriert, gilt jedoch nicht als verpflichtendes Glaubensgut. So bleibt es beispielsweise heute jedem Christen selbst überlassen, ob er an die Marienerscheinungen von Lourdes, Fatima und Garabandal und ihre Prophezeiungen glauben will oder an die im 19. Jahrhundert sehr bekannten Jenseitsvisionen der Anna Katharina Emmerich, die der Dichter Clemens von Brentano aufgezeichnet hat.32 Reformierte Christen haben zu solchen Kundgaben im allgemeinen noch weniger Beziehung als Katholiken. Während es jedoch in der Vergangenheit eine reine Ermessensfrage war, den Zugang zu jenseitigen Bereichen für möglich zu halten, legen heute viele nachprüfbare parapsychologische Phänomene die Deutung nahe, daß sie auch durch Einflüsse von Seelen aus jenseitigen Bereichen zustande kommen. Die Parapsychologie leistet heute trotz mancher Gefahren einen nicht zu unterschätzenden Beitrag, den Glauben an ein Weiterleben der Seelen nach dem Tode und an die Möglichkeit einer geistigen Verbindung mit dem Jenseits zu untermauern. Dieser Glaube ist eine Voraussetzung, um das weltanschauliche Umfeld der Reinkarnationslehre annehmen zu können. Wenn heute Vertreter der Kirche trotz des parapsychologischen Beweismaterials diesen Glauben an die Wirksamkeit einer anderen Welt als "Spiritismus" im Sinne eines wirklichkeitsfremden Aberglaubens lächerlich machen, zeigen sie damit nur ihren mangelnden Informationsstand. Man muß jedoch zur Kenntnis nehmen, daß sich innerhalb der Parapsychologie inzwischen zwei Meinungslager mit unterschiedlichen Erklärungsmodellen gebildet haben: Während die Animisten33 alle außersinnlichen Erscheinungen auf die seelischen Fähigkeiten lebender Menschen - wie Hellsehen oder Telepathie - zurückführen wollen und damit ohne religiöse Komponente auskommen, nehmen die Spiritualisten und Spiritisten an, daß viele dieser okkulten Phänomene von Seelen aus anderen Welten, häufig auch von Seelen verstorbener Menschen, verursacht werden. Da das Wort "Spiritismus", das im Duden allgemein als "Geisterlehre" definiert wird, inzwischen jedoch einen negativen Bedeutungswandel erlitten hat, wird es von vielen religiös ausgerichteten Gruppen, die vom Jenseits aus Belehrungen erhalten, bewußt vermieden. In der Literatur zur Reinkarnationslehre erscheint neben ihm meistens der Begriff "Spiritua-lismus". "Der Spiritualismus unterscheidet sich vom Spiritismus dadurch, daß der eine der Umgang mit dem Lebendigen, der andere mit dem Toten ist. Zum Spiritualismus gehört Spiritualität, d. h. Erhebung der Seele und Erhabenheit des Geistes." 34 Nach einer anderen Definition ist jeder, der glaubt, "daß in ihm noch etwas anderes steckt, als bloße Materie, . . . Spiritualist."35 Die Spiritualisten unterscheiden sich also deutlich von den Materialisten und auch von den heute im Meinungsstreit führenden Theologen und Philosophen, die bestreiten, daß die Seele, getrennt vom irdischen Körper, ein Eigenleben führen kann. In diesem Sinne sind alle abendländischen Vertreter der Reinkarnationslehre Spiritualisten. 32 Vergl. Rosenberg, a.a.O., S. 195ff. 33 Vergl. Miers, a.a.O., S. 30 34 Miers, a.a.O., S. 382 35 Adler, a.a.O., S. 123

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