Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 31 - das lebendige Element der Prophetie, weil es nicht gewillt war, den Zustrom von oben preiszugeben." 45 Auch Martin Luther gab der Prophetie keine Entfaltungsmöglichkeit. Er wies die Zwickauer Propheten verärgert ab und ließ in seiner Schrift "Wider die himmlischen Propheten" seiner Aversion gegen diese "Schwärmer" freien Lauf.46 Walter Nigg berichtet dagegen in seinem Werk "Heimliche Weisheit" vorevangelischen Mystikern, denen teilweise auch prophetische Gabe zugesprochen wird. Zu einer ganz anderen Meinung über das prophetische Wort als Martin Luther gelangt der evangelische Theologieprofessor Benz in seinem Werk über Emanuel Swedenborg. 47 Liberal-protestantische und modernistische katholische Theologen kamen jedoch Ende des 19. Jahrhunderts zu der Auffassung, daß sich die Religion durch neue Offenbarungen fortbilde.48 Ihre Lehre: "Die Offenbarung, die den Gegenstand des katholischen Glaubens ausmacht, wurde nicht mit den Aposteln abgeschlossen," (DS 3421 vom 3. 7. 1907) ist aber von Pius X. offiziell verworfen worden. Die Treue zur Dogmatik verlangt also von jedem kirchlichen Kritiker, die Propheten und ihre Lehre von vornherein abzulehnen. Und selbst wenn man sich herabläßt, die prophetische Lehre zu prüfen, gleicht die Gegenargumentation einem sich drehenden Kreise: Die Lehre wird als "abstruses Gemisch von spiritualistischen, neuplatonischen und gnostischen Elementen" erkannt und abgelehnt.49 Was heißt das aber? "Neuplatonisch" heißt die philosophische Schule des Ammonius Saccas in Alexandria, dessen Schüler Origines wegen seiner Lehre, die auch die Reinkarnation enthält, später von der Kirche verflucht wurde. Die "Gnostiker" wurden von den Kirchenlehrern Irenäus und Tertullian im 2. Jahrhundert als Häretiker verketzert, da sie behaupteten, von den Aposteln herrührende Geheimlehren oder neue Offenbarungen des Heiligen Geistes zu besitzen. Ihnen gegenüber betonte die Kirche, "daß in der Lehre der Apostel, die in der Kirche durch die ununterbrochene Nachfolge der Bischöfe unverfälscht bewahrt wird, die volle Offenbarungswahrheit enthalten ist."50 Anders ausgedrückt bedeutet das, daß nach kirchlicher Meinung eine neue Lehre erstens überflüssig ist und zweitens nur das wiederholen darf, was bisher wegen der "Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes" für wahr erklärt wurde. Wenn wir uns in dieser Schrift trotzdem auf prophetische Offenbarungen als Quellen unseres Wissens berufen, dann stehen wir zwar im Gegensatz zur Lehre der Kirche, jedoch nicht zur Bibel. Der Kritiker, der die prophetische Botschaft einer Prüfung auf den Wahrheitsgehalt hin unterziehen will, geht von der logischen Voraussetzung aus, daß die Botschaften, die zu verschiedener Zeit erfolgten, in ihren grundlegenden Aussagen übereinstimmen müssen. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. Es ist jedoch zu bedenken, ob die Botschaften, die vor ungefähr 2.000 45 Nigg, a.a.O., S. 28 46 Vergl. Nigg, a.a.O., S. 85 47 Benz, Ernst: Emanuel Swedenborg, Naturforscher und Seher 1969, Swedenborg Verlag, Zürich 48 Vergl. Ott, a.a.O., S. 8 49 Vergl. Schmidt Walter, a.a.O., Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 21. 8. 1983, Nr. 34 50 Ott, a.a.O., S. 8

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