Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 53 - lassen. "Wie lange" dieser Prozeß andauert, "so lange" wird Christus den auf ihn Wartenden durch den Glauben erscheinen. Ist die Seele gereinigt, wird sie herausgenommen aus dem Rad der Wiedergeburt, um dann bleibenden Einlaß in den reinen Himmeln zu finden. Daß auch noch im 20. Jahrhundert die Lehre von der Reinkarnation in höchsten Kreisen der katholischen Kirche als durchaus akzeptabel angesehen wurde, geht aus einer Äußerung des Kardinal-Primas von Belgien Désiré Mercier58 hervor, der in seinem Werk "Psychologie" schreibt: "Unter der Bezeichnung Wiedermenschwerdung (Reinkarnation), Metempsychose oder Seelenwanderung kann man sehr verschiedene Dinge verstehen: Entweder eine Reihe von Wiederholungen des Daseins unter der zweifachen Bedingung, daß die Seele das Bewußtsein ihrer Persönlichkeit bewahrt, und daß es ein Endglied in der Reihe der Wanderungen gebe, oder eine Reihe von Wiederholungen des Daseins ohne Endglied, jedoch mit dem Vorbehalt, daß die Seele das Bewußtsein ihrer Persönlichkeit bewahre, oder endlich eine unbegrenzte Reihe von Daseinswiederholungen mit dem Verlust des Bewußtseins von der persönlichen Identität". . . Was die erste Annahme betrifft, so sehen wir nicht, daß die Vernunft, sich selbst überlassen, sie unmöglich oder mit Sicherheit als falsch erklärte."59 2. Die Aussagen von Kirchenvätern (Erstes bis siebtes Jahrhundert) Recht deutlich haben sich auch viele frühe Kirchenväter zu diesem Gedankengut geäußert. Es ist keineswegs selbstverständlich, daß dieses ihr Wissen noch teilweise nachzulesen ist. Denn im 6. Jahrhundert wurde diese Lehre gezielt aus der Theologie entfernt, wie im folgenden Abschnitt noch zu zeigen sein wird. Um so bedeutsamer ist das, was die Verfälschung und Vernichtung dieser Schriften überlebt hat. Im allgemeinen handelt es sich um Aussagen der Patristik der katholischen Kirche im griechischen Osten. Im folgenden wird die Einteilung in Belege zur Präexistenz - Apokatastasis - Reinkarnation - Karma beibehalten. Den Aussagen des Origenes muß jedoch aus Gründen seiner Bedeutung hinsichtlich der Verketzerung der Wiedergeburtslehre ein gesonderter Abschnitt gewidmet werden. a) Patristische Belege zur Präexistenz der Seele Philos von Alexandria "Von den Träumen", I, 181 "Denn als sie (= die Seele, der Verf.) den himmlischen Ort verließ, wovon ja auch kurz vorher die Rede war, kam sie in den Körper wie in ein fremdes Land. Es sagte nun der Schöpfervater, er werde sie nicht auf immer eingeschlossen in ihrem Gewahrsam unbeachtet lassen, sondern er werde Mitleid mit ihr haben, ihre Fesseln lösen und sie in Freiheit bis zu ihrer Mutterstadt sicher geleiten . . .60 58 Désiré Mercier (1851-1926) Theologe, Philosoph, 1882 Lehrer an der Universität Löwen, 1907 Kardinal, Primas von Belgien, theologisch, sozial politisch und kulturpolitisch tätig. 59 Zitiert nach Wachsmuth, a.a.O., S. 7 (Band II der Psychologie von Mercier, in dem sich die Stelle befindet, war im Gegensatz zu Band I nicht zu erhalten). 60 Philos, Band VI, a.a.O., S. 209

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