Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 6 - Auch Pius XII. (1950) verwirft den Polygenismus (DS 3897), da er "mit der Offenbarungslehre von der Erbsünde" (Ott S. 116) unvereinbar ist. Die Kirche ist also an ihre Dogmen gebunden, selbst wenn, wie im Falle Galilei, die Naturwissenschaft unter Umständen den Gegenbeweis erbringen könnte. Mit dem Dogma vom IV. Laterankonzil, wonach der Mensch aus Leib und Seele besteht, legt sich die Kirche auch auf eine Zweiteilung der Wesensnatur des Menschen fest, während eine Dreiteilung in Leib, Seele und Geist sowohl bei den griechischen Kirchenvätern (z. B. Origines) als auch bei Paulus eindeutig belegt ist: 1. Thess. 5, 23: "Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch voll und ganz, und euer Geist (= pneuma) und eure Seele (= Psyche) und euer Leib (= soma) werde unversehrt und untadelig bewahrt für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus." Demnach besteht der Mensch aus einem physischen Körper als der materiellen Hülle für die Seele, in die der Geist eingeschlossen ist, der unsterbliche "Geist, der zu Gott zurückkehrt, der ihn gab." (vergl. Pred. 12, 7). Diese genaue Unterscheidung der Begriffe Geist (spiritus, pneuma) und Seele (anima, psyche), wie sie aus der Heiligen Schrift und den heutigen prophetischen Offenbarungen klar getroffen wird, ist den Verfassern der diesbezüglichen Dogmen nicht gelungen. Die Begriffsverwirrung lieferte auch den Stoff für die Streitfrage, ob die Seele sterblich oder unsterblich sei. Die neuere Theologie hat eine "Ganz-Tod-Theorie" entworfen, d. h. Leib und Seele sterben beim physischen Tod. Näheres hierzu siehe unter Abschnitt "Die Lehre von den Letzten Dingen." Nach einer sententia certa (gesicherte Lehrmeinung) behauptet die Kirche, daß die Seele von Gott unmittelbar bei der Zeugung des physischen Körpers aus dem Nichts erschaffen und mit ihm vereinigt wird, obwohl für diese Theorie kein biblisch eindeutiger Schriftbeweis zu finden ist (Ott S. 121). Selbst der heilige Augustinus, der die Erbsündentheorie "erst wirklich zur Entfaltung" brachte12, vermochte sich zeitlebens nicht mit dem Gedanken anzufreunden, daß die Seele bei der Zeugung eines menschlichen Körpers unmittelbar von Gott aus nichts geschaffen wird, da er sie nicht mit der Fortplanzung der Erbsünde vereinbaren konnte. Erst im Mittelalter wurde diese "gesicherte Lehrmeinung" unter dem Einfluß von Thomas von Aquin zu einer Voraus-setzung für das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Marias und damit indirekt zu einem dogmatischen Lehrsatz erhoben (vergl. Ott S. 121). Karl Rahner (1904-1984), ein führender Theologe unserer Zeit, führt zusammenfassend dazu aus: "Grundsätzlich wird unterstrichen, daß die Seele unmittelbar aus nichts von Gott geschaffen ist, daß sie daher nicht zur göttlichen Substanz gehört, auch nie ein vorkörperliches Leben führt, daß sie aber umgekehrt als solche auch keinen materiellen Ursprung hat. Sie ist das menschliche Vitalprinzip und steht höher als der Leib. Ihre Geistigkeit kann bewiesen werden. Er (= der Mensch, d. Verf.) besteht aus Geist und Körper, Seele und Leib. Die Grunderkenntnis: Der Geist des Menschen ist von Gott geschaffen und bildet in seinem (augustinisch oder thomistisch verstanden) Wesensbezug zum Körper dessen eine Seele."13 12 Rahner, Herders Theologisches Taschenlexikon, Bd. 2, S. 156 13 Rahner, Herders Theologisches Taschenlexikon, Bd. 6, S. 396f.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3