Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 62 - Kyrill, Bischof von Alexandria: "Denn er (= Origenes) sagt, daß die Seelen vor den Körpern existieren und aus der Heiligkeit in böse Begierden verfielen und von Gott abfielen; aus diesem Grund habe er sie verurteilt und eingekörpert, und sie seien im Fleische wie in einem Gefängnis."118 Pseudo-Leontinus von Byzanz legt dar: "Über die Präexistenz war seine (des Origenes) Meinung folgende: Vor den Äonen existierten Intelligenzen, die alle rein waren, sowohl die Dämonen wie die Seelen wie die Engel: sie dienten Gott und taten seine Gebote. Einer aber, der Teufel, da er freien Willen hatte, entschloß sich, Gott zu widerstehen und Gott verstieß ihn. Mit ihm fielen alle anderen Mächte ab . . . Vielmehr ist es klar, daß er einen jeden nach seiner Verfehlung strafte . . . Denn wenn das nicht so wäre und die Seelen (nicht) präexistent wären, warum finden wir dann, daß einige Neugeborene blind sind, ohne gesündigt zu haben, während andere gesund auf die Welt kommen? Offenbar gibt es präexistente Sünden in den Seelen, für die einer jeden nach Verdienst vergolten wird."119 Aus diesen direkten und indirekten Zeugnissen geht unbestreitbar hervor, "daß Origenes nicht nur die Präexistenz gelehrt hat, sondern daß sie geradezu die grundlegende Idee seiner Lehre von der Geisterwelt bildet. In dreien seiner theologischen Werke hat Origenes seiner Überzeugung von der Präexistenz Ausdruck gegeben, nämlich in seinem dogmatischen Hauptwerk 'Peri archon', im Kommentar zum Johannes- und Matthäus-Evangelium. "120 Sinn und Zweck allen Lebens in der materiellen Welt, die entstanden ist nach dem Sündenfall im geistigen Bereich, bleibt die Läuterung und Veredelung der Seele, bis nach einer teilweise äonenlangen Zeitdauer, die "Wiederherstellung aller", die Apokatastasis panton, wie es in der Apostelgeschichte (3, 21) heißt, vollendet ist. Treffend stellt Gotthold Müller in einem diesbezüglichen Aufsatz fest: "Er (= Origenes) bezeichnet die endzeitliche Beseitigung alles Bösen und - damit verbunden - die vollkommene Wiederherstellung der Schöpfung in ihren ursprünglichen Zustand, was für ihn konsequenterweise auch die Beseligung der Verdammten, des Teufels und seiner Engel mit einschließt und die vollendete Harmonie aller Dinge am Ende der Zeit zur Folge hat."121 Bei Origenes selbst lesen wir: Gibt es nun noch "etwas, das vielleicht bei der Wiedereinbringung aller (Apg. 3, 21) statthaben wird, wenn alles zu seiner vollkommenen Erfüllung kommt? Dies, worin die Vollendung von allem stattfinden soll, muß dann wohl als etwas Größeres gelten denn als Äon. Ich gehe dabei aus von dem Äon. Ich gehe dabei aus von der Autorität der hl. Schrift, wo es heißt (Daniel 12, 3): 'In Äonen und fernerhin.' Mit 'fernerhin' ist offenbar etwas Größeres gemeint als die Äonen; es ist zu bedenken, ob nicht das Wort des Erlösers (Joh. 17, 24 u. 21) 'Ich will, daß, wo ich bin, auch diese mit mir seien' und 'Daß wie ich und du eins sind, auch diese in uns eins seien' auf etwas Größeres hinweist als auf ein Äon oder mehrere, vielleicht sogar etwas Größeres als die 'Äonen der Äonen' (Ps. 83, 5 u. öfter) nämlich ein Zustand, wo nicht mehr alles in einem Äon ist, sondern 'Gott sei alles und in allem' (1. Kor. 15, 28)".122 117 Justiniani, Liber adversus Origenem, in: Mansi, a.a.O., S. 511 118 Justiniani, Liber adversus Origenem, in: Mansi, a.a.O., S. 511 119 Pseudo-Leontinus v. Byzanz, de sectis 10, 5, zitiert nach Görgemanns-Karpp, a.a.O., S. 273 120 Ludwig, a.a.O., S. 247 - dort finden sich auch weitere Belege zur Präexistenzlehre des Origenes 121 Müller, a.a.O., S. 175 122 Origenes, PA II, 3, 5 (S. 315)

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