Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 63 - Ausgehend von der Apostelstelle: 1. Kor. 15, 28: "Wenn aber alles ihm unterworfen sein wird, alsdann wird auch der Sohn selbst unterworfen sein dem, der ihm alles untertan gemacht hat, auf daß Gott sei alles in allem", folgert Origenes: "Wenn es heißt, der Sohn sei dem Vater unterworfen, so wird damit die vollkommene Wiedereinbringung der ganzen Schöpfung bezeichnet, und wenn es heißt, die Feinde seien dem Sohn Gottes unterworfen, so ist darin die Rettung und Wiederherstellung der Verlorenen zu sehen." 123 "Wenn also das Ende zum Beginn zurückkehrt, der Ausgang der Dinge mit dem Anfang zusammenfällt und jenen Zustand wiederherstellt, den die Vernunftwesen damals hatten, als sie noch nicht 'vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen' brauchten, wenn dadurch jede böse Empfindung beseitigt und bis zur völligen Reinheit weggewaschen ist und allein Gott, der einzig Gute, für ihn 'alles' wird, und wenn nicht in wenigen oder einigen, sondern in allem er selbst alles ist, dann wird wahrhaft Gott 'alles in allem' sein."124 "Darum heißt es denn auch 'der letzte Feind', welcher 'der Tod' genannt wird, werde vernichtet (1. Kor. 15, 26) . . . Die 'Vernichtung des letzten Feindes' ist aber so zu verstehen, daß nicht seine von Gott geschaffene Substanz vergeht, sondern seine feindliche Willensrichtung, die nicht von Gott, sondern von ihm selbst stammt. Er wird also vernichtet, nicht um (künftig) nicht zu sein, sondern um (künftig nicht mehr) 'Feind' und 'Tod' zu sein."125 "Denn wenn wir richtig verstehen, was Mose am Anfang seines Buches (Genesis 1, 1) schreibt: 'Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde', daß hiermit der Anfang der ganzen Schöpfung gemeint ist, so ist es angemessen, daß zu diesem Anfang wieder das Ende und die Erfüllung aller Dinge zurückgeführt wird."126 "Außerdem wollen wir noch bedenken, ob es nicht sogar gottlos sein könnte zu meinen, der Geist, der Gott fassen kann, sei einer substantiellen Vernichtung fähig. Als ob nicht allein die Tatsache, daß er Gott erkennen und denken kann, ihm zur Unvergänglichkeit genügen könnte. Das gilt vollends, weil der Geist, auch wenn er durch mangelndes Streben absinkt und Gott nicht rein und vollkommen in sich aufnehmen kann, doch immer sozusagen Keime zur Wiederherstelllung und Wiedergewinnung der besseren Erkenntnis in sich trägt, wenn 'der innere Mensch', der auch der geistige heißt, nach dem Bilde und der Gleichheit mit Gott, der ihn geschaffen hat, erneuert wird'. (vergl. 2. Kor. 4, 16; Kol. 3, 10)127 "An vielen Stellen seiner Schriften führt Origenes die Apokatastasis, die nach seiner Meinung bereits den Propheten des Alten Bundes bekannt war - die prophetischen Schriften sprechen nun vielfach in geheimnisvollen Worten von der vollständigen Aufhebung des Bösen und der Wiederherstellung aller Seelen (siehe Origenes, Contra Celsum VIII. , 72) - auf das Werk Christi zurück."128 Die endgültige Rückkehr aller gefallenen Seelen zu Gott als ewig gültigem Gesetz, setzt konsequenterweise die Inkarnation der Seele in den materiellen Leib voraus. Welcher andere Weg bleibt aber einer Seele, die nicht ihr Endziel erreicht hat, als eine erneute Wiedergeburt, eine Reinkarnation auf dieser materiellen Welt? 123 Origenes, PA III, 5, 7 (S. 639) 124 Origenes, PA III, 6, 3 (S. 651) 125 Origenes, PA III, 6, 5 (S. 657) 126 Origenes, PA II, 6, 8` (S. 665). Mit "Anfang der gesamten Schöpfung" ist bei Origenes nicht unsere jetzige Erde und ihr Himmel gemeint, sondern eine höhere Welt, die unsere eigentliche Heimat ist; diese Auffassung entwickelte er in PA II, 3, 6f. (S. 315ff.) 127 Origenes, PA IV, 4, 9 (S. 817f.) 128 Müller, a.a.0., S. 181

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3