Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 73 - In den "Regulae Tridentinae" de libris prohibitis vom 24. 3. 1564, bekannt unter dem Namen "Index", heißt es in regula I: "Alle Bücher, die vor dem Jahre 1515 die Päpste oder ökumenischen Konzilien verworfen haben, und in diesem Verzeichnis nicht enthalten sind, sollen auf die gleiche Weise verworfen sein, wie sie einst verworfen worden sind." (DS 1851) Auf den konkreten Fall angewandt gilt diese Verwerfung auch für die Schriften des Origenes. Wer dagegen verstößt, dem wird der Bannfluch angedroht. (DS 1861) 5. Die Folgen dieser Bannflüche Anstelle einer Wertung dieser Vorgänge, die der Leser selbst vornehmen möge, sei hier das Urteil des amerikanischen Theologen Cyrill C. Richardson vom Union Theological Seminary, New York, wiedergegeben: "Die Verdammung des Origenes ist eine der traurigsten Episoden in der Geschichte der christlichen Kirche. Die Breite seiner Gedanken, seines Geistes und die weite Sympathie seiner Religion stehen in lebhaftem Gegensatz zu der engstirnigen Fortschrittsfeindlichkeit seiner mönchischen Verleumder . . . Es ist, als ob sich ein Vorhang über die intellektuelle Freiheit des Ostens senke, und zusammen mit verschiedenen gefälschten Texten aus seinen Werken hatte man all das, was edel und liberal und reif in der Glaubens- und Gedankenwelt des Origenes war, verdammt. Er, der für eine wahrhaft katholische Religion gekämpft hatte und der behauptet hatte, daß alle Dinge das Erbe der Kirche seien und daß alle Dinge Christus gehörten, wurde aus der Kirche ausgeschlossen, mit dem Fluch der Intoleranz und des Fanatismus. Die langen Meinungsverschiedenheiten über Origenes, die ihren Höhepunkt unter Justinian erreichten, kennzeichnen das Ende von vielem, was nobel und erleuchtet war, in der frühen Tradition der griechischen Christenheit."162 Mit der Verfluchung und somit der Beseitigung des Wissens von der Präexistenz der Seele vor dem materiellen Leib und der endgültigen Rückkehr aller gefallenen Seelen zu Gott, ihrem Schöpfer, wurde in der kirchlichen Lehre der Reinkarnation, der Wiederverkörperung der Seele ins Fleisch, die Grundlage entzogen; ja der Gedanke daran brauchte überhaupt nicht in der kirchlichen Lehre zu erscheinen. In diesem so entstandene theologische Vakuum konnten nunmehr im Laufe der Kirchengeschichte dogmatisch abgesichert treten: die Schaffung der Seele durch Gott im Augenblick der Zeugung des physischen Körpers, die Erbsündenlehre, die scheinbar unentbehrliche Gnadenfunktion einer Amtskirche, die ewige Hölle für alle nicht im kirchlichen System lebenden Menschenseelen nach ihrem irdischen Weggang. Der Fehler von 543 und 553 ist vergleichbar - wenn auch für die einzelne Seele der Gläubigen im Einflußbereich der Kirche unvergleichlich schwerwiegender und folgenreicher - mit dem Fehler des Jahres 1633. Galilei hat nachgewiesen, daß sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Nach kirchlichem Spruch war diese Entdeckung eine Irrlehre, die im Gegensatz zur buchstabengetreuen Auslegung der Bibel steht. Erst im Jahre 1983, also nach 350 Jahren(!), hat der Vatikan die Lehre Galileis anerkannt durch die Rehabilitierung dieses Physikers, den sie in zwei Inquisitionsprozessen unter Androhung der Folter zum Widerruf der von ihm erkannten und heute als selbstverständlich angesehenen Wahrheit gezwungen hatte. 162 Richardson, a.a.O., S. 50

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