Kapitel 3-5: Der Geisterverkehr im nachapostolischen Zeitalter und in der jetzigen Zeit

- 10 - Nach dem Eintritt des fremden Geistes gehen die Kundgebungen in aller Ruhe vor sich, wenn das Geistwesen ein gutes ist. Hat jedoch ein böser Geist von dem Medium Besitz ergriffen, so treten sehr häufig Zustände ein, die selbst auf den in diesen Dingen Unerfahrenen den Eindruck dämonischer Besessenheit machen. "Rasen ist ein Werk der Dämonen" sagt der Christ Tatian. Auch das Hellsehen, Hellhören und Hellempfinden, wozu auch die Empfindungen des Geschmacks- und Geruchsinnes gehören, ist eine häufige Erscheinung bei den Christen der ersten Jahrhunderte. In dem Buch des Hermas nimmt das Hellsehen und Hellhören einen großen Raum ein. Denn das meiste nimmt Hermas hellsehend und hellhörend wahr. Eine weibliche Gestalt, die er sieht und hört, erklärt ihm die jenseitigen Wahrheiten. Sie ist seine Führerin, wie es bei dem hellsehenden Dante die Beatrice war. Denn auch Dante hat die Hauptsache dessen, was er in seiner "Göttlichen Komödie" niederschrieb, hellsehend geschaut. Der Märtyrer Polykarp schaut hellsehend sein Todesschicksal. Auf dem Landgut, wohin er entflohen war, weilte er mit einigen wenigen und tat "Tag und Nacht" nichts anderes, als daß er betete für alle und die Gemeinden der ganzen Welt, wie er es zu tun pflegte. Und als er betete hatte er ein Gesicht, drei Tage, bevor er gefangengenommen wurde: Er sah sein Kopfkissen im Feuer verbrennen. Da drehte er sich um und sagte zu denen, die bei ihm waren: "Es ist von Gott bestimmt, daß ich lebend verbrannt werden soll". Am häufigsten ist bei den hellsehenden Gottesgläubigen das Schauen jenseitiger Gestalten und Gefilde, überhaupt ein Schauen des Geisterreiches als eine Welt gleich der irdischen, nur geistig anstatt materiell. Daß auch heidnische Hellseher derartige Visionen hatten, ist selbstverständlich. Denn das Hellsehen ist eine Gabe des menschlichen Geistes infolge einer entsprechenden Gestaltung des seinen Geist umgebenden Ods, so daß er ähnlich sieht wie ein körperloser Geist. Das, was der Hellseher schaut, ist als Bild ebenso wahr wie die Bilder der materiellen Welt, die unser körperliches Auge schaut. Die Geisterwelt kann diese Bilder nach Belieben vor den Augen des Hellsehers entstehen lassen. Das Od ist das Material, aus dem sie geformt werden. Es kommt nur auf die innere Einstellung des Hellsehers an, ob die gute oder die böse Geisterwelt bei seinem Schauen jenseitiger Dinge tätig ist. Bei dem Hellsehen, das sich auf Diesseitiges bezieht und von der Odstrahlung der irdischen Geschöpfe abhängig ist, spielt die innere Gesinnung des Hellsehers keine Rolle. Darum konnten die heidnischen Hellseher diesseitige Schicksale ebensogut schauen wie christliche, wenn die Christen ihnen auch vorwarfen, daß auch dies von den Dämonen bei jenen bewirkt werde. Die Urkunden der ersten christlichen Jahrhunderte sind voll von solchen Tatsachen des Hellsehens und Hellhörens. Als Polykarp in Smyrna als Märtyrer starb, hörte Irenaeus, der sich gerade in Rom aufhielt, eine Stimme wie eine Trompete, welche sagte: "Polykarp ist Blutzeuge geworden". Was das mediale Schreiben betrifft, so behaupten viele der führenden christlichen Männer jener Zeit, bei ihren Schreiben von der Geisterwelt i n s p i r i e r t worden zu sein. Die Ausbildung der Medien in der nachapostolischen Zeit war dieselbe wie bei den Medien der ersten Christengemeinden. Sie erfolgte bei den gottesdienstlichen Versammlungen. Nach Hermas tritt der pneumatische Zustand eines Propheten ein unter allgemeinem Gebet der Gemeinde. Die Gemeinde betete, indem sich alle Anwesenden als Sinnbild der Einheit die Hände reichten. Der dadurch erzeugte geschlossene Odstrom lieferte der Geisterwelt das Material zur Ausbildung der Medien und zu ihren Kundgebungen durch die fertigen Medien. Wer die Ausbildung von Medien selbst sah, dem sind die aus jenen Zeiten berichteten medialen Vorgänge vollkommen klar. Denn es sind d i e s e l b e n wie heute. Wenn Eusebius berichtet, daß die Kirche es nicht gestattete, sich zum Propheten machen zu lassen oder sich selbst dazu zu machen, so sind auch diese Vorgänge für den Kenner sehr verständlich. Denn ebensogut wie ein Mensch in den gottesdienstlichen Versammlungen zum Medium werden konnte, so war dies auch möglich, wenn sich ein medial Veranlagter mit einigen anderen zu einem

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