Kapitel 3-5: Der Geisterverkehr im nachapostolischen Zeitalter und in der jetzigen Zeit

- 23 - gleichfalls völlig frei zu sein schien, sondern an ihre Schwester Katharina, die früher nicht das mindeste derart erfahren hatte, nun aber so rasend wurde, daß sie nur mit Mühe festgehalten werden konnte. Sie drohte, mich in tausend Stücke zu zerreißen, und ich durfte es nicht wagen, ihr nahezutreten. Sie machte unaufhörlich Versuche mit eigener Hand, wie sie sagte, sich den Leib aufzureißen oder lauerte listig umher, als wollte sie etwas Gräßliches an denen, die sie hielten, verüben. Dabei rasselte und plärrte sie so fürchterlich, daß man Tausende von Lästermäulern sich in ihr vereinigt denken konnte. Am auffallendsten war, daß sie ganz bei Besinnung blieb, indem man mit ihr reden konnte, sie auch bei scharfen Ermahnungen sagte, sie könne nicht anders reden und handeln. Man möchte sie nur recht festhalten, damit nichts durch sie geschehe. Auch nachher hatte sie noch von allem, selbst von den gräßlichsten Mordversuchen, bestimmte Erinnerungen, und diese wirkten so niederschlagend auf sie, daß ich mich mehrere Tage ihrer besonders annehmen mußte, bis nach fleißigem und ernstlichem Beten ihr die Erinnerungen allmählich schwanden. Daneben ließ sich dennoch der Dämon aus ihr ebenso bestimmt vernehmen, der sich diesmal nicht als einen abgeschiedenen Menschengeist, sondern als einen vornehmen S a t a n s e n g e l ausgab, als das oberste Haupt aller Zauberei. Er behauptete, daß mit dem, daß er in den Abgrund fahren müsse, der Zauberei der Todesstoß gegeben werde, an dem sie allmählich verbluten müsse. "Plötzlich gegen 12 Uhr um Mitternacht dröhnte aus der Kehle des Mädchens zu mehreren Malen, ja wohl eine Viertelstunde andauernd, nur ein Schrei der Verzweiflung mit einer erschütternden Stärke, als müßte das Haus zusammenstürzen. Grausenerregenderes läßt sich nicht denken. Und es konnte nicht fehlen, daß die Hälfte der Bewohner des Ortes nicht ohne besonderen Schrecken Kenntnis von dem Kampfe bekam. Dabei befiel Katharina ein so starkes Zittern, daß es war, als wollten sich alle ihre Glieder voneinander abschütteln. Unter Äußerung von Angst und Verzweiflung mischten sich in der dämonischen Stimme ein riesenhafter Trotz, eine Herausforderung gegen Gott, ein Zeichen zu tun, damit er nicht so gemein wie andere Sünder seine Rolle niederlegen, sondern gewissermaßen unter Ehren in die Hölle fahren müsse. Solch schauerliches Gemisch von Bosheit, Verzweiflung, Trotz und Hochmut ist wohl schwerlich je irgendwo erblickt worden. Endlich kam der ergreifendste Augenblick, welchen unmöglich jemand genügend sich vorstellen kann, der nicht Augen- und Ohrenzeuge war. Um 2 Uhr morgens brüllte der angebliche Satansengel, wobei das Mädchen den Kopf und Oberleib über die Lehne des Stuhles zurückbog, mit einer Stimme, die man kaum bei einer menschlichen Kehle für möglich halten sollte, die Worte heraus: ‘Jesus ist Sieger! – Jesus ist Sieger!‘ Worte, die, soweit sie ertönten, auch verstanden wurden und auf viele Personen einen unauslöschlichen Eindruck machten. Nun schien die Macht und Kraft des Dämons mit jedem Augenblick mehr gebrochen zu werden. Er wurde immer stiller und ruhiger, konnte immer weniger Bewegungen machen und verschwand zuletzt ganz unmerklich, wie das Lebenslicht eines Sterbenden erlischt, jedoch erst gegen 8 Uhr morgens." Damit war der zweijährige Kampf zu Ende. Was Blumhardt erlebt hatte, waren die Kundgebungen der bösen und niederen Geisterwelt durch menschliche Medien. Es war an und für sich nichts Neues. Nur für ihn war es neu. Hätte er sich dieser in der Gewalt des Bösen befindlichen Medien nicht angenommen, so würde es ihnen ergangen sein, wie es täglich so vielen ergeht, die man in vollständiger Unkenntnis der Vorgänge sich selbst überläßt. Sie wären entweder im Irrenhaus gelandet oder hätten durch Selbstmord ihrem Leben ein Ende gemacht. • Die Insassen der Irrenanstalten sind zum großen Teil die Opfer der niederen Geisterwelt. Und dieselben unheimlichen Mächte sind oft auch bei den Selbstmördern tätig. Gottliebin Dittus war "Tieftrancemedium". Auf welche Weise sie sich dazu entwickelte, dafür finden sich in den Angaben des Blumhardt keine Anhaltspunkte. Es ist wahrscheinlich, daß sie mit ihren anderen Geschwistern zusammen das sogenannte "Tischrücken" betrieben hatte und daß ihre angeborene Medialität auf diesem Wege immer stärker sich entfaltete.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3