Kapitel 3-5: Der Geisterverkehr im nachapostolischen Zeitalter und in der jetzigen Zeit

- 48 - Während die Anwesenden noch das vorhergehende Erlebnis besprachen, geriet das Medium wieder in einen Erregungszustand und behauptete, im Zimmer die Gestalt des Bischofs Dr. Jose de Camargo Barros zu sehen, der beim Schiffbruch der "Syrio" ums Leben gekommen war. Die Unterhaltung wurde schnell abgebrochen und Mirabelli unter die vorschriftsmäßige Kontrolle genommen, welche die Herren Ataliba de Aranha und Odassio Sampaio übernahmen. Süßer Rosenduft erfüllte das Zimmer. Das Medium fiel in Trance. Innerhalb des Zirkels wurde plötzlich ein feiner leichter Nebel gesehen, auf den sich alle Augen richteten. Der Nebel teilte und verdichtete sich, glänzte wie eine goldene Wolke, aus der sich langsam in ausgezählten Minuten eine Gestalt ablöste, die lächelnd, das bischöfliche Barett auf dem Haupte, angetan mit allen Insignien seiner Würde, sich vom Stuhl erhob und mit lauter, allen vernehmbarer Stimme seinen Namen: Dr. Jose de Camargo Barros nannte. Die Anwesenden vergewisserten sich, daß sie keiner Täuschung zum Opfer fielen. Dr. Ganymed de Souza erhob sich, näherte sich furchtlos mit mehreren Schritten der Erscheinung und blieb ihr gegenüber stehen. Diese sagte nichts, lächelte dem Forscher zu, der nun ganz an sie herantrat, sie berührte, sie gründlich abklopfte, gegen die Zähne schlug, mit dem Finger den Gaumen prüfte, um das Vorhandensein von Speichel festzustellen. Er horchte Herz und Atmung ab, legte sein Ohr auf den Bauch des Bischofs, um sich von der Tätigkeit der Eingeweide zu überzeugen, untersuchte Nägel und Augäpfel, deren Blutäderchen er noch besonders prüfte, und kehrte auf seinen Platz zurück. Kein Zweifel – es war ein Mann, der hier weilte. Die übrigen Beobachter folgten dem Beispiel des Dr. Ganymed de Souza, und allen zeigte sich der geheimnisvolle Gast gleich gefällig. Alle überzeugten sich, daß kein frivoles Spiel mit ihnen getrieben wurde, sondern daß tatsächlich ein menschliches Wesen mit menschlichen Organen vor ihnen stand. Der Bischof unterhielt sich mit den Anwesenden in reinem, gewähltem Portugiesisch. Zum Schluß sagte er: "Nun geben Sie wohl acht, wie ich verschwinde!" Er begab sich zu dem Stuhl des Mediums, welches in Tieftrance lag. Die Teilnehmer verfolgten gespannt jede einzelne Bewegung, damit ihnen nicht das Interessanteste des Phänomens, nämlich die Dematerialisation, entginge. Bei dem immer noch in Trance befindlichen Medium angelangt, beugte sich der Bischof über Mirabelli, legt ihm die Hände auf und betrachtete ihn eine Weile schweigend. Die Anwesenden bildeten um die beiden einen Kreis. Der materialisierte Körper des Bischofs zuckte mehrmals heftig zusammen, begann zu schwinden und wurde immer kleiner. Das Medium, in kaltem Schweiß gebadet, röchelte laut. Die Erscheinung verkürzte sich auf etwa 30 Zentimeter und verschwand dann mit einer Plötzlichkeit, die nicht zu beschreiben ist. Wieder erfüllte starker, süßer Rosenduft den Raum. Mirabelli kam langsam zu sich. Die Nachuntersuchung ergab keine natürliche Erklärung des Vorgefallenen. In Santos, dem Sitz der Akademie, wurde um 15.30 Uhr eine Nachmittagssitzung gehalten. Die Ergebnisse dieser Sitzung sind durch 60 Unterschriften bestätigt. Nachdem zuerst die Gestalt einer mit den Anwesenden plaudernden Frau erschienen und wieder verschwunden war, hob sich nach wenigen Minuten eine Glocke in die Luft und läutete mit silberhellem Ton. Mirabelli erwachte aus der Trance und behauptete, neben dem Tisch eine ehrfurchtgebietende Gestalt zu sehen, die in weißes Linnen gekleidet und von einer glänzenden Aura umgeben sei. Die Glocke in der Luft läutete unaufhörlich. Verschiedene abseits sitzende Anwesende erhoben sich und näherten sich dem eigentlichen Zirkel, der durch die Untersuchungskommission gebildet wurde.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3