Kapitel 3-5: Der Geisterverkehr im nachapostolischen Zeitalter und in der jetzigen Zeit

- 7 - Aber die Kundgebungen selbst betrachtete damals sowohl der Jude als auch der Heide und der Christ, der katholische Christ sowohl als auch der nichtkatholische, in gleicher Weise als Wirkungen unsichtbarer Geistwesen. Weinel, S. 64: "Erblickt ein Christ in einer Vision einen Engel oder einen Dämon, Christus oder den Teufel, hat ein Heide oder ein Gnostiker eine Vision, so ist nicht, wie für manche moderne Theologen, bei einem Juden Selbsttäuschung, was bei einem Christen wahres Erleben ist, sondern in jedem der angegebenen Fälle sind für jene Zeit übermenschliche, unsichtbare Geistwesen in Erscheinung getreten. Und das Erlebnis kann sich jedesmal ganz in der gleichen Form abspielen." Weinel; S. 64: "Die Wirkungen des Heiligen Geistes und der Dämonen sind aber nicht nur im allgemeinen gleichartige Vorgänge, sondern derselbe Vorgang kann bald als Wirkung des guten, bald als Wirkung des bösen Geists beurteilt werden, je nach dem dogmatischen Standpunkt (Glaubensstandpunkt) des Verfassers. Was der Gnostiker (eine christliche Sekte) für gute, heilige Geistwirkung hält, beurteilt der katholische Christ als Blendwerk der Dämonen und umgekehrt." Weinel, S. 65: "Wo die pneumatischen Vorgänge auf demselben seelisch-leiblichen Gebiet auftreten, ist es höchst auffallend, wie gleichartig sie in allen Jahrhunderten gewesen sind. Der mittelalterliche mönchische Mystiker, der Quäker im protestantischen England, der hugenottische Inspirierte, der Wunderarzt des 19. Jahrhunderts, erlebt und tut dann ganz dasselbe wie die Pneumatiker der werdenden Kirche." Weinel, S. 67: "Innerhalb des Gebietes der pneumatischen (medialen) Erscheinungen gibt es nach christlicher Überzeugung keine neutrale Wirkung. Der Geist, welcher wirkt, ist entweder ein böser oder ein guter." Die Art und Weise, wie die Geister in den nachapostolischen Zeiten sich kundgaben, ist dieselbe, wie sie in den früheren Kapiteln dieses Buches über die Medien dargelegt wurde. Die Geister bedienten sich der Medien zum Sprechen. Es gab sowohl "Teiltrancemedien", bei denen der eigene Geist alles hört, was das fremde Geistwesen durch das Medium spricht, als auch "Tieftrancemedien", bei denen ein anderer Geist redete, während das Medium selbst in vollständig bewußtlosem Zustand sich befand. Ein Medium, das in Teiltrance sprach, schildert seinen eigenen Zustand mit folgenden Worten: Weinel, S. 77 u. 78: "Stets empfand ich dabei eine außerordentliche Erhebung zu Gott, bei welchem ich daher beteuere, daß ich weder durch irgend jemand bestochen oder verleitet, noch durch eine weltliche Rücksicht bewogen bin, durchaus keine anderen Worte als solche zu sprechen, welche der Geist oder der Engel Gottes selbst bildet, indem er sich meiner Organe bedient. Ihm allein überlasse ich daher in meinen Ekstasen die Lenkung meiner Zunge, indem ich mich nur bestrebe, meinen Geist auf Gott zu richten und die Worte zu merken, welche mein Mund ausspricht. Ich weiß, daß alsdann eine höhere und andere Macht durch mit spricht. Ich denke darüber nicht nach und weiß vorher nicht, was ich reden werde. Meine Worte kommen mir daher wie die Rede eines anderen vor, aber sie lassen einen tiefen Eindruck in meinem Geist zurück." Oft auch betet ein Geist unter Benutzung eines Mediums in Teiltrance. Ein Beispiel des "Betens im Geist" berichtet höchst anschaulich das Martyrium des Polykarp. Hier ist auch das große Ergriffensein treffend geschildert. Polykarp begibt sich aus dem Obergemach des Hauses, wohin man ihn geflüchtet hatte, zu der Truppenabteilung hinunter, befiehlt, den Soldaten zu essen vorzusetzen, und bittet sie dann um eine Stunde Verzug für ein ungestörtes Gebet. "Als sie es ihm gestatteten, trat er hin und betete, voll der Gnade Gottes (im Geiste) so sehr, daß er zwei Stunden lang nicht schweigen konnte und alle Zuhörer erschraken, viele es aber bereuten, daß sie gekommen waren zu einem solch gottbegnadeten Greis, um ihn festzunehmen." Er konnte nicht schweigen. Denn nicht er selbst redete, sondern etwas anderes sprach aus ihm und ließ ihn nicht zum Schweigen kommen. Dabei vernimmt er nichts von dem, was um ihn vorgeht. Er ist unempfindlich gegen die Müdigkeit, die dem alten Manne doch sonst das Stehen unmöglich gemacht hätte. Alle Anwesenden sahen, daß Polykarp nicht selbst sprach, sondern daß ein anderer aus

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