Kapitel 7: Christus sein Leben und sein Werk

- 33 - Doch möchte ich zunächst noch bei dem ersten Teil dieses wichtigsten Kampfes, der je ausgefochten wurde, etwas länger verweilen. Ich möchte mit dir die menschlichen Leidensstunden Christi durchgehen, die ihr die ' P a s s i o n ' nennt. Ihr Menschen würdigt ja viel zu wenig das unsagbare Leiden, das dieser gottgesandte Kreuzträger zu eurer Rettung erdulden mußte. Am Abend vor seinem Tode befand er sich mit seinen Jüngern im A b e n d m a h l s a a l e. Das Ostermahl, das er mit ihnen hielt, war zugleich ein Abschiedsmahl. Aber wer vermag den Seelenschmerz zu ermessen und nachzuempfinden, der ihn hier durchzitterte! – Er wußte durch die Geisterboten Gottes, daß bereits alle Vorbereitungen zu seiner Gefangennahme und beschleunigten Hinrichtung getroffen waren. Er wußte, daß einer seiner Jünger Verhandlungen mit den Hohen Priestern geführt und sich gegen einen Verräterlohn von 30 Silberlingen bereiterklärt hatte, ihnen seinen Meister in die Hände zu liefern. Und dieser Verräter lag in diesem Augenblick mit ihm an demselben Tisch. Sie saßen nämlich nicht, wie ihr annehmt und eure Bilder es darstellen, an einem langen Tisch, sondern lagen auf Tierfellen, deren Köpfe zu einem Ruhepolster erhöht waren, zu je drei an kleinen, niedrigen Tischchen, mit dem einen Arm sich auf das Polster stützend und mit dem anderen die Speisen essend, die vor ihnen standen. Mit Christus zusammen an demselben Tischchen lagen Johannes und Judas: Johannes zu seiner Linken mit seinem Haupt nahe an der Brust des Meisters, an der anderen Seite Judas. Dieser wagte nicht, seine Augen zum Meister zu erheben und sehnte sich nach dem Augenblick, wo er unauffällig den Saal verlassen konnte. Wie schnitt es dem Meister ins Herz, diesen seinen Jünger als Verräter vor sich zu sehen, dessen furchtbaren Tod er vorauswußte. 'Es wäre ihm besser, wenn er nicht geboren wäre.' – Jesu Augen füllten sich mit Tränen, als er ihn immer wieder anschauen mußte. Sein Herz hing mit Liebe auch an diesem verlorenen Bruder. Vor seinem Geist stieg das Bild auf, das schon nach wenigen Stunden Wirklichkeit werden sollte: Judas in Erkenntnis seiner Freveltat mit Verzweiflung im Herzen und einem Strick in der Hand vor dem Baume stehend, an dem er sich erhängte, und neben ihm Luzifer, um den Geist des von ihm Verführten mit sich in die Tiefe zu nehmen. – Der Meister schüttelte sich vor Entsetzen bei diesem Bilde. Und die anderen Apostel? Werden sie ihm in seinen schweren Marterstunden tröstend und helfend zur Seite stehen? Er sah den Schicksalsfilm der nächsten zwölf Stunden sich vor seinem geistigen Auge abrollen. Er sah sie alle von ihm fliehen, aus Angst für das eigene Leben, sah einen Petrus in Todesangst zitternd vor einer Türhüterin stehen und die Zugehörigkeit zu seinem Meister unter einem Eidschwur ableugnen. Er sah die Teufel sich schon an der Tür des Abendmahlsaales drängen, um seine Jünger beim Verlassen des Saales in Empfang zu nehmen und sie in dieser Nacht an ihrem Meister irrewerden zu lassen, damit sie dem für den Tod Bestimmten keine Stütze sein und ihm keinen Beistand leisten konnten. – 'Satan, hat verlangt, euch sieben zu dürfen wie den Weizen.' – Warum hatte Satan dies verlangt? • J e t z t e r s t hatte Luzifer durch eine Offenbarung Gottes erfahren, was bei diesem Entscheidungskampfe für ihn auf dem Spiele stand. Die Gerechtigkeit Gottes war es Luzifer schuldig, ihn nicht länger darüber im unklaren zu lassen, daß es in dem nun beginnenden Kampfe zwischen ihm und Christus sich um die H e r r s c h e r r e c h t e d e r H ö l l e ü b e r d i e g e f a l l e n e n G e i s t e r handle. Gott offenbarte ihm, daß Christus, falls er in dem nun beginnenden Todesleiden standhaft bliebe, nachher als Geist im Verein mit den himmlischen Legionen gegen die Hölle zum Angriff schreiten, ihn – den Fürsten der Hölle – besiegen und ihm einen wesentlichen Teil seiner Herrscherrechte entziehen werde. Satan erbebte bei dieser Kunde.

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