Kapitel 8-9: Die Lehre Christi und das heutige Christentum

- 61 - 8. 19 Das Priestertum der ersten Christen und das heutige f) Auch eine ' P r i e s t e r w e i h e ' gab es im Urchristentum nicht. Das Wort 'Priester' ist entstanden aus dem griechischen Wort ' P r e s b y t e r ' der alten Kirche. Es bedeutet 'Ältester'. Es sind damit jedoch nicht Älteste den Jahren nach gemeint, sondern die innerlich Reifsten in der Sache Gottes. Von ihnen galt das Wort aus dem Buche der Weisheit: Weisheit 4, 8 – 9: 'Nicht das lang dauernde Alter ist der Ehre wert und es wird nicht die Zahl der Jahre gemessen; nein, das wahre graue Haar ist für die Menschen die Einsicht und das wahre Greisenalter ein fleckenloses Leben.' • Darum wurden die Presbyter der ersten christlichen Kirchen nicht von Menschen für ihre Aufgabe ausgewählt, da Menschen die innere Würdigkeit eines Mitmenschen nicht beurteilen können. Sie wurden in den gottesdienstlichen Versammlungen der Christen durch die sich kundgebenden Geister Gottes als diejenigen bezeichnet, die Gott für seine Zwecke bestimmt hatte. Von den Gliedern der christlichen Gemeinden wurden sie durch Handauflegung in feierlicher Weise als die anerkannt, die im Auftrag Gottes ihres Amtes walteten. Und worin bestand ihre Tätigkeit? Hatten sie vielleicht größere geistige Befugnisse als die gewöhnlichen Christen? Hatten sie geistliche Vollmachten, die sie den Mitchristen gegenüber ausübten, so daß diese in ihrem Verhältnis zu Gott und in der Erlangung des Heils von ihnen abhängig gewesen wären? Nichts von alledem. Man kannte damals kein Priestertum, wie ihr es heute habt. Damals gab es keine Priester mit besonderer geistlicher Gewalt, die nur sie hätten ausüben können. Es gab keine Priester, die sogenannte Sakramente spendeten, Sünden vergaben oder andere geistigen Gnaden vermittelten. Es gab keine Bischöfe, die andere zu Priestern weihten und ihnen geistige Vollmachten übertrugen. • Das Amt eines 'Ältesten' oder 'Presbyters' umfaßte eine ganz andere Tätigkeit. Wo Menschen sich zu einem bestimmten Zweck vereinigen und zusammenkommen, da muß ein Leiter sein, der die äußere Ordnung aufrecht hält und dafür sorgt, daß alles so gehandhabt wird, wie es zur Erreichung des gesteckten Zieles erforderlich ist. So war es auch bei den ersten Christen. Sie kamen zusammen zum Gottesdienst, zur Feier des Abendmahls, zur gegenseitigen inneren Erbauung und Stärkung im Glauben. Da war es notwendig, daß jemand da war, der diese Versammlungen anberaumte, sie vorbereitete, die Stunde festsetzte, das ganze leitete und dafür Sorge trug, daß alles in schöner Ordnung und Eintracht verlief. Denn Gott ist ein Gott der Ordnung in seiner ganzen Schöpfung. Wie er in der Geisterwelt Führer und Leiter bestimmt hat, welche die Ausführung seiner Anordnungen zu überwachen haben, so will er auch, daß es in der menschlichen Heilsordnung Leiter gibt, die alles so einrichten, daß die Glieder der Heilsgemeinschaft möglichst großen geistigen Nutzen ernten. Diese Aufgabe hatten die Presbyter. Sie sorgten zunächst für die äußere Ordnung. Sie bestimmten, in welchem Hause die gottesdienstlichen Versammlungen abgehalten wurden, sorgten dafür, daß der Raum entsprechend eingerichtet und mit allem Notwendigen versehen wurde; sie setzten die Zeit der Zusammenkünfte fest und sahen überall nach dem Rechten. Aber in dem inneren Leben der Gemeinde erwuchsen ihnen noch wichtigere Aufgaben. In den Gottesdiensten wurde durch die sich kundgebenden Geister vieles angeordnet, was für das geistige Fortkommen der Gemeinde von Wichtigkeit war. Der Presbyter hatte nun dafür zu sorgen, daß jene Anordnungen und Aufträge pünktlich und gewissenhaft ausgeführt wurden. Da die wahre Religion eine Religion der tätigen Nächstenliebe ist, so wurde bei den Christen ein großer Wert auf die Hilfe gelegt, die den wahrhaft Hilfsbedürftigen in der Gemeinde gewährt werden sollte. Da war es der Presbyter, der in ständiger Fühlung mit den Familien seiner Gemeinde blieb und mit ihnen alles besprach, was sie leiblich und seelisch bedrückte. Er war der treueste Freund aller. Alle hatten deswe-

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