An den Grenzen der Physik

- 11- gefallen war. Die Frau bewohnte das Haus mit ihren drei Kindern, Mädchen im Alter von drei bis elf Jahren, und ihrem 14jährigen Neffen, der ihr bei der Besorgung des Viehs half. Am 30. April 1916, einem Sonntag, begann der Spuk. Nach dem Melken und Füttern war der Stall geschlossen worden, als ein Kalb brüllte und man beim Nachsehen merkte, daß es losgebunden war. Alles Vieh war sehr aufgeregt, schlug mit den Hinterbeinen aus und schwitzte. Frau K. band das Kalb wieder fest schloß den Stall. Sogleich brüllte das Kalb wieder, und als Frau K. nachsah, waren zwei Stück Vieh losgebunden. Die Sache war rätselhaft, da niemand im Stalle gewesen war. Frau K. holte einen Nachbarn, der mit ihr den geheimnisvollen Vorgang des Losbindens der Ketten genau beobachtete. Obgleich man die Tiere mit Ketten und Stricken festband und fünf Knoten machte, wurden sie sofort wieder losgebunden. Dabei konnte man die Bewegungen der Ketten genau beobachten. Die Kette lag dann stets zusammengeballt auf dem Fußboden. Aber die unsichtbaren Hände suchten auch das Vieh zu strangulieren, indem sie die Halskette solange einwärts drehten, bis sie sich verknotete und das Vieh zu ersticken drohte. Diese Vorgänge wiederholten sich am 1. und 2. Mai. Am 2. Mai ging der Spuk auch in der Wohnung los. Das kleinste Kind wurde plötzlich sehr aufgeregt, in der Küche krachte und polterte es von abends 9 Uhr bis morgens 3 Uhr. Das Kind sah einen schwarzen Geißbock am Bette der Mutter; die anderen sahen ihn nicht. Man brachte das Kind aus dem Hause. Da begann das siebenjährige Mädchen unruhig zu werden, behauptete, grüne Augen und Ohren zu haben, und phantasierte. Vom 3. bis 5. Mai ließ der Spuk nach und ruhte vom 6. bis 13. Mai völlig. Dann aber ging es wieder derart los, daß Menschenaufläufe entstanden. Es begann abends um 5 Uhr damit, daß ein Holzscheit auf dem Herde zu tanzen anfing. Ein Bauer vom Nachbardorf warf das Scheit zum Fenster hinaus, es kehrte aber blitzschnell zurück, ohne daß man sah, wie dies geschah. Das wiederholte sich des öfteren. Das Stück Holz spazierte vom Hausgang zum Speicher und zurück. Auch ein Holzstumpen flog später in der Küche umher. Abends stürzten fünf Milchhäfen vom Schaft herunter, zerbrachen und vergossen ihren Inhalt. Vom 15. Mai an gingen die Erscheinungen in Haus und Stall nebeneinander her. Das Vieh wurde nun auch geschlagen. Alle Milchgeschirre, Mostkrüge, Teller, Pfannen, Wassereimer sprangen von ihren Plätzen, flogen auf den Boden, ja sogar zur Hintertüre hinaus. Sie wurden aber auch nach Personen geworfen. Der Schultheiß K. kam aufgeregt zum Pfarrer und sagte, er könne "sich keinen Vers auf diese Dinge machen". Er zeigte die Milchspritzer an seinem Beinkleid; vor seinen Augen seien Milchhäfele vom Bord des Kastens heruntergefallen. Der junge Lehrer hatte, als er vom Orte des Spukes kam, ebenfalls absichtlich die Spuren gelassen, um sie dem Pfarrer zu zeigen. Bei ihm waren Gipsspritzer an der Stirn, die von der freien Wand weg her zu ihm geflogen waren. Beide erzählten übereinstimmend, daß schon beim Eintritt in den Hausgang, in welchem kein Mensch sich befand, ihnen Steine entgegengeflogen seien. Es waren zuletzt nur noch beherzte Männer, die sich ins Haus hineinwagten, wie A. W., der mit erheblichen Beulen am Kopfe herauskam.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3