An den Grenzen der Physik

- 4- Zwischen überlieferter christlicher Lehre und modernem Erkennen ist es zur Spaltung gekommen. Der offene Kampf brach im neunzehnten Jahrhundert infolge der Entwicklung der Naturwissenschaften aus. Physik, Astronomie, Geologie und Biologie entwarfen ein Bild vom Aufbau des Weltalls, von der Entstehung der Erde und des Menschen, das mit dem Bericht von der Schöpfung am Anfang der Bibel schlechterdings nicht mehr in Übereinstimmung gebracht werden konnte. Es entspann sich das Ringen zwischen Christentum und Naturwissenschaft, das vom Christentum auf der ganzen Linie verloren wurde." Soweit der Bericht von Professor Conzelmann. Die gleichen Anschauungen vertrat bereits der evangelische Theologe David Friedrich Strauß, der von 1808 - 1874 lebte. Er veröffentlichte 1835 als junger Dozent in Tübingen sein Werk: "Das Leben Jesu kritisch bearbeitet." Gleich in der Einleitung schreibt er: "Wir können summarisch alle Wunder, Prophezeiungen, Erzählungen von Engeln, Dämonen und dergleichen als einfach unmöglich und als mit den bekannten und universalen Gesetzen, welche den Lauf dieser Ereignisse lenken, unversöhnlich verwerfen." Strauß erklärte das Christentum zur wahren Humanitätsreligion, das von den zum großen Teil mythischen Berichten der Evangelien zu unterscheiden sei. Die Gestalt Jesu war ihm historisch kaum faßbar. Während die Äußerungen von David Friedrich Strauß noch einen Sturm der Entrüstung entfachten und ihn sein kirchliches Lehramt in Tübingen kosteten, wurde ein anderer Theologe 100 Jahre später mit ähnlichen Äußerungen ein angesehener Mann mit einer großen Schule. Es handelt sich um den evangelischen Theologen Professor Rudolf Bultmann, der von 1884 - 1976 lebte. Er entwickelte 1941 in einem programmatischen Vortrag über "Neues Testament und Mythologie" seine Thesen zur Entmythologisierung. Nach Bultmanns Vorstellung ist das gesamte Weltbild der Bibel "Mythos", das heißt Sage oder Dichtung, ebenso die Vorstellung von der Durchführung des Heilswerkes Gottes durch Christus, nämlich durch Abstieg eines Himmelswesens auf die Erde und durch seinen Wiederaufstieg in den Himmel. Nach Bultmanns Auffassung sind diese Vorstellungen an das damalige Weltbild und Denken gebunden, sind zeitbedingte Einkleidungen des Glaubens, aber nicht der Glaube selbst. In einer weiteren Arbeit: "Kerygma und Mythos", aus dem Jahre 1951, erläutert Bultmann seine Auffassung noch folgendermaßen: "Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testamentes glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klarmachen, daß er, wenn er das für die Haltung christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht." Mit diesen Anschauungen wurde Bultmann zum Mitschöpfer der sogenannten "modernen Theologie". Radikale Schüler von ihm gingen aber noch einige Schritte weiter: Sie sagen, man könne nur von Gott reden, indem man vom Menschen rede, und Jesus Christus sei allein der natürliche und wirkliche Mensch. Sie zweifeln daran, daß man heute im Ernst noch zu Gott beten könne. Die Theologie ohne Gott wird verkündet und zur Theologie der Mitmenschlichkeit umgestaltet.

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