Der Kampf um die Materialisationsphänomene

- 2 - 1. Das Wesen der Materialisationen Unter den physikalischen Erscheinungen der Parapsychologie haben die sogenannten Materialisationsphänomene immer besonders großes Aufsehen erregt. Darunter ist die vorübergehende paranormale Entstehung oder Bildung einer seltsamen Substanz zu verstehen, die Teleplasma oder Ektoplama genannt wird. Aus ihr können sich Gewebe, Schleier, Bilder oder menschliche Gliedmaßen (Arme und Füße) und ganze, vollausgebildete menschliche Körper mit Atmung und Blutkreislauf (abhörbarer Herzschlag) formen. Man nennt letztere Wesenheiten meist Phantome (Erscheinungen). Sie geben an, verstorbene, ehemals auf der Erde gelebt habende Menschen zu sein. Die Vorgänge waren so eindrucksvoll und für unser naturwissenschaftliches und religiöses Weltbild so folgenschwer, daß sie von Kritikern und Ungläubigen in Bausch und Bogen als Schwindel erklärt wurden und heute von "modernen", animistisch geprägten Parapsychologen i g n o r i e r t werden. Als im Jahre 1913 der Münchner Nervenarzt und parapsychologische Forscher Albert Freiherr von Schrenck-Notzing ein umfangreiches Werk über die "Materialisationsphänomene" veröffentlichte, rechnete er gleich mit erheblichen Angriffen und schrieb u. a. im Vorwort zu besagtem Buch: "Die Beschäftigung mit den in Mißkredit stehenden sogenannten 'spiritistischen Erscheinungen' hat heute noch gewisse Nachteile für den betreffenden Forscher zur Folge. Nicht nur, daß man ihm Beobachtungsfähigkeit, kritische Besonnenheit und Glaubwürdigkeit abzusprechen pflegt und ihn durch den Vorwurf des 'Scharlatanismus' der Lächerlichkeit preisgibt, so z. B. den verstorbenen Kriminalanthropologen Lombroso, sondern er läuft auch Gefahr, für geistig minderwertig, wenn nicht direkt für geisteskrank zu gelten, wie es bei dem Astronomen Zöllner und dem englischen Physiker Crookes geschehen ist."1 Tatsächlich wurde Schrenck-Notzing nach Erscheinen seines Buches erheblich angegriffen, d. h. die von ihm beobachteten und beschriebenen Erscheinungen wurden als plumper Trick und Schwindel erklärt. Unter seinen Gegnern tat sich besonders die Ärztin Mathilde von Kemnitz, geb. Spieß (1877 – 1966) hervor. Sie heiratete in zweiter Ehe den General Erich Ludendorff, ehemals deutscher 1. Generalquartiermeister im Ersten Weltkrieg. Bei ihm war sie später die Haupttriebfeder in der sogenannten Ludendorff-Bewegung im Kampf gegen Freimaurer, Juden, Jesuiten und Marxisten. Mit Mathilde v. Kemnitz setzt sich Schrenck-Notzing in einem 1914 nachfolgenden Buch, "Der Kampf um die Materialisationsphänomene. Eine Verteidigungsschrift"2 ausführlich auseinander und widerlegt ihre unzutreffenden Behauptungen. Worum handelt es sich nun bei den sogenannten paranormalen Materialisationen? Soweit wir das bislang wissen, wird die "gebildete" in Erscheinung tretende Materie nicht etwa aus dem Nichts erschaffen, sondern unserer materiellen Umgebung e n t z o g e n, vorzugsweise dem Körper eines anwesenden Mediums. Dieses Entziehen findet oft in Form eines deutlich sichtbaren Herausströmens aus dem Körper des Mediums statt und ist häufig fotografiert worden. Die Substanz, die dabei sichtbar und fühlbar wird, nennt man meist "Ektoplasma" oder "Teleplasma". Von den vielen in der Literatur verbreiteten fotografischen Aufnahmen dieses Vorganges werden hier zunächst zwei wiedergegeben. Abb. 1 zeigt das englische Tieftrance- und Materialisationsmedium Jack Webber (1907 – 1940), wie es in Trance gefesselt auf seinem Stuhl sitzt. Seinem Mund entströmt ein breiter Ektoplasmaschleier. Bei ihm wurden Ektroplasmaproduktionen beobachtet und fotografiert, die bis zu fünf Meter lang waren. Abb. 2 zeigt das dänische Medium Einer Nielsen.3 Es befindet sich ebenfalls in Trance. Seinem Mund entströmt die gazeähnliche Substanz, das Ektoplasma. Dessen Struktur war meist dichter als bei Jack Webber. Es konnte ebenfalls mehrere Meter lang werden, sich vom Medium loslösen, 1 Schrenck-Notzing, A. Frhr. v.: Materialisationsphänomene (1923) Vorwort, S. 2 Schrenck-Notzing, A. Frhr. v.: Der Kampf um die Materialisationsphänomene. Eine Verteidigungsschrift. – München: Ernst Reinhardt, 1914. 3 Einer Nielsen (8. 12. 1894 – 26. 2. 1965), 50 Jahre lang bedeutendes Materialisationsmedium in Kopenhagen. Mit 17 Jahren Beginn der Medialität als Trance-Medium. Am 1. 9. 1914 die erste Vollmaterialisation. Von Beruf war Nielsen bis 1920 kaufmännischer Angestellter, danach betrieb er einige Jahre ein eigenes kleines Geschäft, ließ sich dann als Heilpraktiker ausbilden und wirkte anschließend als paranormaler Heiler.

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