Die Entstehung menschlichen Lebens und frühkindlicher Tod

- 14 - Die nächste Stimme, die dann sprach, war die von einem Kontroll-Geist des Mediums. Ich bat ihn um eine Personenbeschreibung meiner Tochter, wie sie ihm erschienen sei. Er antwortete: 'Ihre Gesichtszüge sind niedergeschlagen. Wir haben versucht, sie aufzuheitern, aber sie ist sehr traurig. Sie ist in dem Zustand, in dem sie geboren wurde. Jede körperliche Mißbildung ist das Zeichen einer entsprechenden Verfassung. Ein schwacher Körper ist nicht notwendigerweise das Zeichen eines schwachen Geistes, aber er ist sein Gefängnis, weil der Geist sonst zu leidenschaftlich sein könnte. Aus der Mißbildung des Körpers kannst du aber nicht auf die Mißbildung des Geistes schließen. Ein Lippengeschwür des Körpers hat nicht ein Lippengeschwür des Geistes zur Folge. Aber ein Geist, der vielleicht zu überschwänglich ist, braucht möglicherweise ein Lippengeschwür, um ihn in Schranken zu halten!' Ich habe diese Unterhaltung Wort für Wort abgeschrieben von den stenographischen Aufzeichnungen während der Zeit der Aussprache. Es muß noch einmal in die Erinnerung zurückgerufen werden, daß weder Mrs. Florence Cook noch ihr Ehemann wußten, daß ich ein Kind verloren hatte, daß sie niemals in meinem Haus gewesen waren, noch daß sie mit einem meiner Freunde Verkehr hatten. Selbst der größte Skeptiker muß es als ein sehr bemerkenswertes Zusammentreffen anerkennen, daß ich solch eine Mitteilung von den Lippen einer völlig Unbekannten erhielt. Später kam Florence nur noch einmal durch dieselbe Quelle mit mir in Verbindung. Sie fand gleichgute Medien näher bei meinem Wohnsitz, und natürlich waren sie ihr von Nutzen. – Doch das zweite Ereignis war fast noch überzeugender als das erste. Ich ging eines Nachmittags in festem Vertrauen zu meinem Rechtsanwalt, um ihn zu fragen, was ich unter gewissen sehr unangenehmen Umständen tun sollte. Er gab mir dazu seinen Rat. Als ich am nächsten Morgen beim Frühstück saß, kam Mrs. Cook, die noch in Redhill lebte, in mein Zimmer geeilt und entschuldigte sich für ihre unübliche Besuchszeit wegen der Nachricht, die sie letzte Nacht für mich erhalten hatte. Florence hatte sie gebeten, diese ohne Verzug an mich zu überbringen. Die Nachricht besagte folgendes: 'Sagen Sie meiner Mutter, daß ich gestern Nachmittag mit ihr beim Rechtsanwalt war. Sie soll auf keinen Fall seinem Ratschlag folgen, denn es würde ihr schaden, anstatt zu nützen.' Mrs. Cook fügte hinzu: 'Ich weiß nicht, auf was sich Florence bezieht, aber ich dachte, es ist das beste, wenn ich sofort in die Stadt komme und Sie das wissen lasse.' Die Überzeugungskraft dieses Berichtes liegt nicht in seinem Sinnzusammenhang. Das Geheimnis ist in der Tatsache begründet, daß eine verborgene Besprechung erlauscht und erläutert worden ist. Die Wahrheit ist aber auch, daß ich zu dem Ratschlag meines sichtbaren Ratgebers größeres Vertrauen hatte als zu dem meines unsichtbaren Ratgebers. Ich blieb also dem ersten treu und bedauerte es später für alle Zeiten. Meine erste Unterhaltung mit Florence hatte einen großen Einfluß auf mich. Ich wußte zwar vorher, daß mein ungezügelter Kummer die Ursache für den vorzeitigen Tod ihres Körpers war, aber es ist mir nie eingefallen, daß ihr Geist die Auswirkungen mit in die unsichtbare Welt hinübertragen könnte. Es war eine Warnung für mich und sollte es für alle Mütter sein, nicht die schwerwiegende Verantwortung der Mutterschaft auf sich zu nehmen, ohne darauf vorbereitet zu sein, die eigenen Gefühle um der Kinder willen zu zügeln. Florence versicherte mir, daß der Gedankenaustausch mit mir in meinem jetzt gebesserten Zustand der Zufriedenheit auch ihren Geist bald aus dem Zustand der Niedergeschlagenheit emporheben würde. Ich ergriff folglich jede günstige Gelegenheit, um sie zu sehen und mit ihr zu sprechen. Während der folgenden zwölf Monate wohnte ich zahlreichen Sitzungen mit den verschiedensten Medien bei, und mein Geist-Kind, so nannte es sich selbst, unterließ es nie, sich durch die wirkende Kraft jedes dieser Medien auf die verschiedenste Weise kundzugeben. Bei einigen berührte sie mich nur, immer mit einer Kinderhand, damit ich sie als die Ihre erkennen möchte, oder sie legte ihren Mund gegen meinen, damit ich die Narbe auf ihrer Lippe fühlen sollte. Durch andere Medien sprach sie oder schrieb sie oder zeigte ihr Gesicht. Aber niemals wohnte ich einer Sitzung bei, in der sie es versäumte, ihre Anwesenheit kundzutun.

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