Die Entstehung menschlichen Lebens und frühkindlicher Tod

- 18 - 'Wer kann es sein?', sagte ich neugierig zu Mr. Harrison. – Da ertönte es mit Florence flüsternder Stimme: 'Mutter, erkennst du mich denn nicht?' Ich stand auf, um auf sie zuzugehen, wobei ich ausrief: 'Oh, mein liebes Kind! Ich habe nie geglaubt, dich hier zu treffen.' Sie aber antwortete: 'Geh zu deinem Stuhl zurück, ich werde zu dir kommen.' Ich nahm wieder Platz, und Florence kam durch das Zimmer und setzte sich auf meinen Schoß. Sie war bei dieser Gelegenheit weniger verhüllt als andere materialisierte Geistwesen, die ich jemals gesehen habe. Auf dem Kopf hatte sie nur ihre Haare, von denen sie eine große Menge zu haben schien. Sie fielen ihr hinten herunter und bedeckten ihre Schultern. Ihre Arme und Füße und Teile ihrer Beine waren entblößt. Das Gewand, das sie trug, hatte keine besondere Form oder Machart, sondern es schien, als ob ihr viele Meter von weichem, dickem Musselin von der Brust bis unterhalb der Knie um ihren Körper gewickelt seien. Sie hatte ein schweres Gewicht, vielleicht 63 kg, und gut ausgebildete Gliedmaßen. Sie schien demzufolge mehrere Jahre älter zu sein und glich in bezug auf Größe und Gestalt so sehr ihrer ältesten Schwester Eva, daß ich immer die Ähnlichkeit zwischen beiden beobachtete. Diese Sitzung fand zu einer Zeit statt, in der Florence etwa 17 Jahre alt hätte sein müssen. 'Florence, mein Liebling', sagte ich, 'bist du es wirklich?' 'Mache das Gaslicht heller', antwortete sie, 'und sieh auf meinen Mund.' Mr. Harrison erfüllte ihren Wunsch. Wir sahen alle die eigenartige Mißbildung an ihrer Lippe, mit der sie geboren war, ein Defekt, von dem mir einige der erfahrensten Mediziner versichert hatten, er sei so selten, daß sie ihn niemals vorher gesehen hätten. Sie öffnete dann auch ihren Mund, so daß wir sehen konnten, daß sie keinen Schlund besaß. Ich versprach zu Beginn meines Buches, mich auf die Tatsachen zu beschränken und die zu ziehenden Folgerungen meinen Lesern zu überlassen. Daher will ich meinen Bericht auch nicht unterbrechen, um weitere Bemerkungen über diesen unbestreitbaren Beweis der völligen Gleichheit19 zu machen. Ich merkte, das Erlebnis war für mich umwerfend und rührte mich zu Tränen. Zu diesem Zeitpunkt rief Miss Cook, die hinter dem schwarzen Tuch viel gestöhnt und sich bewegt hatte, plötzlich aus: ,Ich kann das nicht länger aushalten' und ging in das Zimmer. • Da stand sie nun in ihrem grauen Kleid mit karminroten Bändern, während Florence in weißer Kleidung auf meinem Schoß saß. Aber nur für einen Augenblick, denn sobald das Medium voll sichtbar war, sprang das Geistwesen auf und stürzte hinter den Vorhang. In Erinnerung an Miss Cooks Anweisung für mich, schimpfte ich sie kräftig dafür aus, daß sie ihren Platz verlassen hatte, solange, bis sie wieder wimmernd an ihren früheren Platz zurück kroch. Kaum hatte sich der Vorhang hinter ihr wieder geschlossen, als Florence schon aufs neue erschien, sich an mich klammerte und sagte: 'Laß sie das nicht wieder tun. Sie erschreckt mich so.' Sie zitterte dabei richtig. Ich antwortete ihr: 'Florence, warum fürchtest du dich vor demMedium? In dieser Welt fürchten wir armen Sterblichen uns vor den Geistwesen.' Florence flüsterte: 'Ich habe Angst, daß sie mich wegschickt, Mutter.' Nun, Miss Cook störte uns nicht wieder, und Florence blieb noch für geraume Zeit bei uns. Sie schlang ihre Arme um meinen Nacken, legte ihren Kopf an meine Brust und küßte mich Dutzende Male. Sie ergriff meine Hand, spreizte sie aus und sagte, sie sei sicher, ich könne ihre Hand erkennen, wenn sie diese aus dem Vorhang herausstrecke, da sie der meinen sehr gleiche. 19 Gemeint ist die Gleichheit zwischen dem Geistwesen und der Verstorbenen.

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