Die Zuverlässigkeit medialer Durchgaben und die Prüfung der Geister

- 7 - die Todesarten der verfolgten Christen, und fügt den Legendenbericht ein. Eusebius erweitert das vorgefundene Material ein Vierteljahrhundert später in der Biographie seines Wohltäters, der "Vita Constantini", zu üppigen panegyrischen (lobhudelnden) Gewinden. Um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert wird unter Papst Symmachus, einer von 498 bis 514 regierenden, äußerst undurchsichtigen Gestalt, der kirchenpolitische und pädagogische Wert der Legende erkannt und der Konstantin-Sylvester-Legende ihre wiederum erweiterte endgültige Form gegeben. Sie erweist sich als brauchbar, so daß, wie als gesichert gelten kann, die päpstliche Kanzlei Stephans II., der von 752 bis 757 herrscht und charakterlich Symmachus gleicht, das Legendenwerk mit der durchdachten Fälschung des Constitutum Constantini Imperatoris - Donatio Constantini, der ominösen konstantinischen Schenkung Roms an Papst Silvester I., krönen kann. Als dann im 15. Jahrhundert Nikolaus Cusanus (= Nikolaus von Kues, 1401-1464, Philosoph und Theologe, ab 1458 Kurienkardinal) und Lorenzo Valla (= Laurentius Valla, 1405-1457, Sekretär am päpstlichen Hof), der erste kritische Geschichtsforscher, die Fälschungen endgültig nachweisen, sind die Positionen nicht mehr zu erschüttern." Diese gefälschte Konstantinische Schenkung ist nicht die einzige Fälschung im kirchlichen Bereich gewesen. Eine weitere liegt zeitlich noch früher. Sie betrifft den römischen Papst Gelasius I. (492496). Er war führend im dogmatischen und kirchenrechtlichen Kampf um den innerkirchlichen Vorrang des römischen Bischofs. Er schuf die Lehre vom Vorrang der geistlichen Autorität gegenüber der weltlichen Gewalt, die sogenannte Zwei-Gewalten-Lehre, die seitdem von der katholischen Kirche vertreten wird. Hans Kühner berichtet (5, S. 40): "Gelasius I. erklärt, Geistliche dürfen nicht durch die weltliche Gerichtsbarkeit gerichtet werden. Daraus macht das sogenannte Constitutum Silvestri, die erste Urkundenfälschung im Dienste des Papsttums, die unter dem übernächsten Papst, Symmachus, und wohl mit dessen Einverständnis hergestellt und Silvester I. untergeschoben worden ist, den kanonischen Grundsatz: 'prima sedes a nemine iudicatur', der Papst kann von niemandem gerichtet werden. Für die Authentizität dieses, später trotz des bündigen Nachweises der Fälschung des Satzes durch den französischen Mauriner-Mönch Pierre Coustant im Jahre 1721 dennoch als Canon 1556 in den 'Codex Iuris Canonici' von 1917 aufgenommenen Rechtsgrundsatzes behaupten die Fälscher eine Synode im süditalienischen Sinuessa aus dem Jahre 303 unter Papst Marcellinus, dem vierten Vorgänger Silvesters I. Diese Synode hat so wenig je stattgefunden wie ein gleichfalls erdachtes Konzil unter Konstantin I. und Silvester I., das die Grundlage des Constitutum Silvestri gelegt haben und wo der Papst gesagt haben soll: 'nemo iudicabit primam sedem.' " Mit diesen beiden gewichtigen Fälschungen waren die Machtpositionen und Machtansprüche der römisch-katholischen Kirche abgesteckt, aus denen heraus sie in den folgenden Jahrhunderten ihre weltliche Machtpolitik betreiben konnte. Fälschungen geringeren Ausmaßes rundeten das Bild ab. So berichtete am 19. Dezember 1959 der Staatsarchivdirektor vom Generallandesarchiv in Karlsruhe Dr. Paul Zinsmaier in einem Vortrag vor dem Hegau-Bodensee-Geschichtsverein über mittelalterliche Urkundenfälschungen besonders im klösterlichen Bereich (abgedruckt im Pforzheimer Kurier vom 24. 12. 1959). Er stellte fest, daß im Mittelalter mehr Urkunden gefälscht worden seien, als zu irgendeiner Zeit danach. Durch moderne technische Methoden (Untersuchung mit Ultraviolett- und Infrarotlicht und Röntgenstrahlen) und historische Vergleiche lasse sich das heute nachweisen. • E i n e d e r g r ö ß t e n F ä l s c h e r z e n t r a l e n sei das K l o s t e r R e i c h e n a u im Bodensee gewesen, in dem für die verschiedensten Auftraggeber gearbeitet worden sei. Aus dieser Werkstatt lägen allein elf falsche Kaiser- und zwei Papsturkunden vor. Aber auch andere berühmte Klöster hätten sich in diesem "Handwerk" fleißig geübt, z. B. die Mönche des K l o s t e r s S t . B l a s i e n.

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