Engel als Boten Gottes und Helfer der Menschen

- 29 - Danach verging kaum ein Tag, solange ich bei der Familie blieb, ohne daß sie mir erzählte, daß sie einen Engel gesehen und mit ihm gesprochen hätte. Ich lehrte sie Lesen und Schreiben. Sie lernte schnell, denn sie hatte von Natur eine rasche Auffassungsgabe und dürstete nach Kenntnissen. Sie gewann großes Vergnügen am Lesen der Bibel und sagte mir, daß die Engel mit ihr über das zu sprechen pflegten, was sie da gelesen hatte, und ihr Dinge erklärten und bewirkten, daß sie sich sehr glücklich fühlte. Sowohl bei Tage als auch bei Nacht erlebte sie von Zeit zu Zeit diesen schönen Dienst der Engel. Und oft hörte sie auch, wie sie mir sagte, schöne Musik, die, wie ich nicht zweifelte, die gleiche war, die ich hörte. Diese Offenbarungen bewirkten eine große Änderung bei ihr. Die Niedergeschlagenheit, die ihr zur Gewohnheit geworden war, machte einer ruhigen Freude Platz, die etwas Ansteckendes hatte, so daß ihre Eltern, die sich zuvor von ihr ferngehalten hatten, sie zunehmend liebten und an ihrer Gesellschaft Gefallen fanden. Sie waren aber auf keinen Fall spirituell gesinnte Leute. An den Dienst der Engel konnten sie nicht glauben. Sie waren sicher, daß das Mädchen sich bloß einbildete, sie zu sehen und mit ihnen zu sprechen. Aber da es sie glücklich machte, schlossen sie, wäre es gut, sie die 'Täuschung' kultivieren zu lassen, wie sie es nannten. Ihr Vater und ihre Mutter hatten eines Tages gerade über diese Angelegenheit mit mir gesprochen und die Meinung ausgedrückt, daß es 'dem gesunden Menschenverstand' widerspräche und natürlich alles 'Unsinn' wäre, als irgend etwas uns zusammen zum Zimmer des Mädchens gehen ließ. Da sah ich einen strahlenden Engel, der sich über sie beugte. Weil die Zeit kurz bevorstand, da ich sie verlassen mußte, und ich wünschte, sie gegen den Skeptizismus ihrer Familie zu wappnen und, wenn möglich, die Beharrung der Eltern in ihrer Blindheit und Unwissenheit ein wenig zu erschüttern, gab ich bekannt, daß ich den Engel sehen könnte und beschrieb seine Erscheinung. 'Oh, ich bin so froh, daß du den strahlenden Engel genau so siehst wie ich', rief die Tochter aus, 'denn jetzt wissen Vater und Mutter, daß es nicht bloß meine Einbildung ist.' Ich war sehr traurig, als ich das Mädchen verließ, denn sie hatte sich zu einem süßen und liebenswerten Wesen entwickelt. Als ich ihr Lebewohl sagte, weinte sie und sagte, sie würde mich sehr vermissen. 'Aber du wirst dich niemals wieder so allein fühlen wie früher', sagte ich, 'du wirst allezeit die Engel haben, um dich zu trösten.' 'Ja, das weiß ich', antwortete sie strahlend. 'Sie haben mir versprochen, sie werden mich nie mehr verlassen, solange ich lebe; und wenn ich gestorben bin, werde ich immer bei ihnen sein.'" Nicht nur bei körperlichen Leiden, sondern auch wie in dem vorangegangenen Beispiel bei seelischer Not können Engel Hilfe leisten. In diesem Zusammenhang berichtet der mir seit langer Zeit persönlich gut bekannte evang. Pfarrer Wilhelm Horkel (Jg. 1909) über eine Engelvision seiner Mutter, die diese im Jahre 1915 in ihrem Haus in Augsburg hatte. Er schreibt (10, S. 100): "Frau J. H. in A. hatte während der Kriegsjahre an fünf besonders schweren Sorgen zu tragen, die sie immer wieder im abendlichen Gebet Gott ans Herz legte. An einem solchen Abend erblickte sie ihrem Bett gegenüber aus einer dunklen Ecke heraus die Gestalt einer Engelshand aus fahlem Schein immer deutlicher werden. Sie erkannte in dieser Hand fünf nebeneinander liegende Schriftrollen, den Ansatz eines weiten Ärmels, ein herabfließendes Gewand, aber keinen Kopf. Sie beschrieb die Gestalt als überlebensgroß, der Kopf blieb unenthüllt. Die Erscheinung dauerte gerade so lange, daß die im Gebet Ringende die Nähe des Engels zweifelsfrei gewahr werden konnte. So wußte sie untrüglich, ihre fünf Sorgen sind in den Händen des Engels, sind in Gottes Händen geborgen. Und sie erlebte, wie sich Sorge um Sorge löste und zerging, weil sie alle beschlossen waren in der Geborgenheit, die Psalm 139, 16 aussagt: 'Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war, und alle Tage waren in Dein Buch geschrieben, die werden sollten, als derselben keiner war.'"

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