Ist unser Schicksal festgelegt?

PSYCHOWISSENSCHAFTLICHE GRENZGEBIETE Ausgesuchte Veröffentlichungen aus verschiedenen Bereichen psychowissenschaftlicher Forschung Herausgeber: Rolf Linnemann (Dipl.-Ing.) * Steinweg 3b * 32108 Bad Salzuflen * Telefon: (05222) 6558 Internet: http://www.psychowissenschaften.de E-mail: RoLi@psygrenz.de Prof. Dr. rer. nat. Werner Schiebeler I st unser Schi cksal festgel egt? Kausalität, Willensfreiheit und Vorherbestimmung aus der Sicht der Physik und Parapsychologie Werner Schiebeler, Diplomphysiker, Prof. Dr. rer. nat., geboren 1923 in Bremen. Studium der Physik in Göttingen und 1955 Promotion mit einer Arbeit am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung in Göttingen. Von 1955 - 1965 Tätigkeit in der Elektroindustrie bei der Firma Standard-Elektrik-Lorenz A.G. in Pforzheim, davon sieben Jahre als Leiter einer Entwicklungsabteilung für elektronische Fernschreibtechnik. Ab 1965 Dozent für Physik und Elektronik an der damaligen Staatlichen Ingenieurschule in Ravensburg, der heutigen Fachhochschule Ravensburg-Weingarten. 1971 Ernennung zum Professor und 1983 der Eintritt in den Ruhestand. Neben den naturwissenschaftlich-technischen Lehrfächern vertrat er seit 1969 in regelmäßigen Sondervorlesungen an der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten auch das Lehrgebiet Parapsychologie und Parapsychophysik und setzt dies auch in den kommenden Jahren fort. Der Autor veröffentlichte zahlreiche Zeitschriftenartikel, sowie Broschüren und vier Bücher über die verschiedensten parapsychologischen Themen. Daneben erschienen über das "Institut für den wissenschaftlichen Film" in Göttingen von ihm zwei Filme über "Paranormale Heilmethoden auf den Philippinen“. Hierfür erhielt er 1974 von der "Associazone Italiana Scientifica di Metapsichica" den "Ernesto Bozzano-Preis“ und 1988 den "1. Schweizer Preis“ von der Schweizerischen Stiftung für Parapsychologie. In dieser Abhandlung wird ein Problemkreis angesprochen, der schon immer die Gemüter der Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen erhitzte. Dabei ist die Auseinandersetzung deshalb besonders schwierig, weil mit Begriffen gearbeitet wird, die vorher schlecht oder gar nicht definiert werden und unter denen die Diskussionspartner sehr unterschiedliche Dinge verstehen können. Zu derartigen Begriffen gehören bereits die Worte "Wille" und "Freiheit". Bad Salzuflen, im Juni 2003

- 2- 1.0 KAUSALITÄT 1.1 Kausalität innerhalb der Physik Die Aufgabe der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, ist nicht nur die Feststellung der bloßen Tatsachen in unserer Welt, sondern vor allem ihre sinnvolle Verknüpfung miteinander. Die gegenseitige Bedingtheit und Abhängigkeit wird aufgezeigt, d. h. zwischen den Zuständen desselben Gebildes wird zu verschiedenen Zeiten ein eindeutiger funktionaler Zusammenhang festgestellt. Man faßt dabei die Geschehnisse als im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinanderstehend auf. Dabei liegt die Ursache zeitlich früher, die Wirkung zeitlich später. Ein Geschehen bedeutet, daß sich etwas ändert, und ändern kann sich nur etwas, wenn eine physikalische Größe vorhanden ist und abläuft, die wir Zeit nennen. Dabei ist die Zeit, wie z.B. auch die Länge, eine sogenannte physikalische Grundgröße, die nicht auf Einfacheres zurückgeführt werden kann und damit auch keiner Erklärung zugänglich ist, Erklärung im Sinne der Zurückführung auf Einfacheres. Zeiten können, wie auch andere physikalische Grundgrößen, nur gemessen werden, d.h. mit Normzeiten verglichen werden. Die Auffindung eines eindeutigen funktionalen Zusammenhanges, einer eindeutigen Abhängigkeit zwischen den verschiedenen Zuständen eines Geschehens (zunächst der unbelebten Natur) und die Aufstellung der Begriffe "Ursache" und "Wirkung" führen zu der Folgerung und Behauptung, daß gleiche Ursachen stets gleiche Wirkungen haben und daß umgekehrt gleichen Wirkungen auch gleiche Ursachen zugrunde liegen. Diese Erfahrungstatsache wird Kausalitätsprinzip oder Kausalgesetz genannt. Das Kausalgesetz ist die Voraussetzung für die Möglichkeit einer Naturforschung überhaupt. Ohne dieses wären auch einfache Schlüsse nicht möglich. Man kann das Kausalgesetz auch so aussprechen: Sind in irgendeinem Augenblick sämtliche Zustandsgrößen aller an einem Naturvorgang beteiligten Dinge bekannt, so ist es grundsätzlich möglich, sowohl seinen weiteren, als auch seinen vorhergehenden Verlauf in allen Einzelheiten im voraus oder für die Vergangenheit zu berechnen. Vorauszusagen, was künftig unter bestimmten Bedingungen geschehen wird, ist aber die wesentlichste Aufgabe der Physik. An Stelle des Begriffes "Kausalitätsprinzip" wird oft auch der Begriff "Determinismus" verwendet. Man sagt dann, daß bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen die Zukunft durch die Vergangenheit determiniert ist wie auch umgekehrt. Diese Umkehrung, daß also die Zukunft oder auch Gegenwart die Vergangenheit determiniert, läßt man bei dem Begriffspaar Ursache und Wirkung, zumindest im Sprachgebrauch des täglichen Lebens, meist nicht zu. Man hat dabei die verschwommene Vorstellung, daß eine Ursache irgendeine an sich daseiende "Kraft" sei, welche die Fähigkeit besitzt, etwas zu bewirken, wobei das "Bewirken" im Ablauf der Zeit stattfindet. Dabei hat man sich an die Konvention gewöhnt, daß die Wirkung zeitlich nach der Ursache kommt und nicht umgekehrt. Dieses so äußerst wichtige und in seinen Konsequenzen weittragende Kausalitätsprinzip gilt in der sogenannten Makrophysik, also in dem Bereich der Physik, in dem an den Vorgängen eine Vielzahl von Molekülen und Atomen beteiligt ist. Ganz besonders trifft dies für die klassische Mechanik und insbesondere auch für die Himmelsmechanik zu. Aber auch hier gibt es schon eine Einschränkung. Die zeitliche Länge, für die eine berechnete Voraussage zutrifft, hängt davon ab, wie genau man die Anfangsbedingungen kannte, die man der Rechnung zugrunde legte. Da es jedoch prinzipiell unmöglich ist, den Ausgangszustand eines abgeschlossenen physikalischen Systems mit beliebiger oder gar absoluter Genauigkeit festzustellen, kann man auch über das Schicksal des Systems in sehr fernen Zeiten nichts Absolutes aussagen. Die absolute Determiniertheit makrophysikalischer Systeme ist daher als ein Idealzustand anzusehen, der in der Praxis in den beobachtbaren Zeiträumen zwar meist mit guter Annäherung festgestellt werden kann (z. B. in der Astronomie), der aber tatsächlich nicht besteht.

- 3- Professor Max Born1 umschreibt diesen Sachverhalt mit folgenden Worten: "Die übliche Behauptung, daß die klassische Mechanik deterministisch sei, ist also unrichtig, ... Wie es kommt, daß dieses falsche Ideal sich so fest in den Köpfen eingewurzelt hat, auch in denen der vorzüglichsten Forscher, ist kein physikalisches Problem, sondern ein psychologisches, das vielleicht aus der Entwicklung des physikalischen Weltbildes seit Newton verstanden werden kann."2 Wenn nun schon der Determiniertheit makrophysikalischer Vorgänge gewisse Grenzen gesetzt sind, so trifft dies in noch viel stärkerem Maße für alle mikrophysikalischen Vorgänge zu, für Vorgänge also, bei denen nur wenige oder nur ein Atom beteiligt sind. Ein Atom kann auf die gleiche Einwirkung von Fall zu Fall verschieden reagieren, ohne daß wir die Möglichkeit haben, für den Einzelfall exakt vorauszusagen, wie es sich das nächste Mal verhalten wird. Wir sprechen in diesem Fall von Akausalität oder Undeterminiertheit, was aber nicht bedeutet, daß für derartige Vorgänge überhaupt keine Gesetze gelten. Sie sind nur statistischer Art, machen also für den Einzelfall keine eindeutige Aussage oder Vorhersage, sondern geben einen Endzustand nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit an. Erst den Ausgang einer Vielzahl von Versuchen beim gleichen Experiment kann man zahlenmäßig hinreichend genau festlegen. Andererseits kann man bei einer großen Anzahl gleichartiger Atome, die alle der gleichen Einwirkung unterworfen werden, das Gesamtergebnis ihrer Reaktionen aufgrund statistischer Naturgesetze wiederum mit hinreichender Genauigkeit vorausberechnen. Für große Körper also, die aus zahlreichen Einzelatomen bestehen, ergeben sich aus den statistischen atomphysikalischen Gesetzen wieder die eindeutigen Gesetze der Makrophysik, die unter den Kausalitätsbegriff fallen. 1 Max Born, geb. 1882, em. Professor der theoretischen Physik, Bad Pyrmont, Nobelpreis für Physik 1954. 2 M. Born, Bemerkungen zur statistischen Deutung der Quantenmechanik, in: Werner Heisenberg und die Physik unserer Zeit, Verlag F. Vieweg, Braunschweig 1961, S. 109.

- 4- 1.2. Kausalität außerhalb der Physik Man hat es nun immer versucht, und jeder Mensch versucht es täglich, das Kausalitätsprinzip auch außerhalb der Physik anzuwenden. Das gelingt nicht immer sehr vollkommen, weil der Anfangszustand, der ja den in der Zukunft liegenden Endzustand determinieren soll, nicht immer mit genügender Genauigkeit bekannt ist. Aber prinzipiell, so meinen manche Autoren, soll der jetzige Zustand auch die fernere Zukunft in jeder Einzelheit zwangsläufig vorausbestimmen. Nach ihnen gibt es auch in der Welt des menschlichen Geistes, im Fühlen, Wollen, Denken und Handeln des Menschen überall einen strengen Kausalzusammenhang, so daß jedes Erlebnis, jeder Gedanke und jeder Willensakt durch vorhergehende Umstände und Ereignisse vollständig bedingt sind. Diese Schlußfolgerung sehen sie dadurch als gerechtfertigt an, daß ja auch im menschlichen Körper und im Gehirn letztendlich physikalische Prozesse ablaufen. Wenn diese aber determiniert sind, so meinen sie, müssen auch die geistigen Vorgänge determiniert sein. Wenn aber Kausalität vorliegt, so wird gefolgert, kann keine Willensfreiheit mehr vorliegen. Dann ist auch das menschliche und zwischenmenschliche Geschehen bis in alle Ewigkeit festgelegt. Dann gibt es auch, so wird gefolgert, für den einzelnen Menschen keine Verantwortlichkeit und keine Schuld. Man ist ja gar nicht im Stande, etwas durch den eigenen Willen und die eigene Entscheidung zu beeinflussen und zu steuern. Alles läuft zwangsläufig ab. In der Parapsychologie könnte man dann sogar versuchen, die festgelegte Zukunft durch Präkognition, so weit wie möglich, zu erfassen. Da es aber Präkognition gibt, die über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte reicht, könnte man das sogar als Stütze der Auffassung einer Determiniertheit allen Geschehens ansehen. Es ist verständlich, wenn es anderen Autoren bei diesen Vorstellungen unheimlich zu Mute wird. Sie meinen, eine Willensfreiheit feststellen zu können und verweisen auf die tägliche Erfahrung, denken und weitgehend handeln zu können, wie sie wollen. Als Beweis dafür sehen sie an, daß sie jederzeit auch etwas Ungewöhnliches tun oder einen Entschluß ändern können. Das sehen sie aber als unvereinbar mit einem dem Kausalitätsgesetz unterworfenen physikalischen Ablauf der Gehirnvorgänge an. Der abseitsstehende Beobachter hat oft den Eindruck, als ob für die Funktion des menschlichen Geistes und seine Willensfreiheit unausgesprochen eine Art transzendente Überwirklichkeit in Anspruch genommen wird. Ein wenig kommt dies auch in den Äußerungen des amerikanischen Parapsychologen Professor Rhine3 zum Ausdruck. Er schreibt: "Unsere Kultur zum Beispiel setzt voraus, daß der Geist sich von dem physischen Körper hinreichend unterscheidet, um die Annahme eines 'freien Willens' zu ermöglichen. Eine solche Freiheit der Willensäußerung bedeutet, daß der Geist seine eigenen Gesetze hat und daß daher die Gesetze des Körpers und der Umgebung ihn nicht oder wenigstens nicht völlig beherrschen. Sie lassen ihm eine gewisse Freiheit von der physischen Bestimmtheit, eine gewisse Unabhängigkeit des Handelns. Die physische Auffassung der Persönlichkeit auf der anderen Seite unterwirft jede Handlung physischen Gesetzen und läßt für die Freiheit keinen Platz. Ein und dasselbe Kausalitätssystem, ein und dieselbe Art von Gesetzen gelten sowohl für das Reich des Geistes wie für das des Körpers. Daher ist die Frage, ob der Geist lediglich eine physische Funktion des Gehirns ist oder nicht, für uns und für die menschliche Gesellschaft ganz allgemein von entscheidender Bedeutung. Denn: • Ohne die Freiheit einer Wahl würden unsere Gesellschafts-Philosophien zusammenbrechen. • Ohne ein freies Wollen kann es keine Sittenlehre, keine wahre Demokratie, ja nicht einmal eine Wissenschaft als freie Forschung geben. Wenn das geistige Leben ganz und gar ein Produkt der Gehirnphysik ist, dann scheint der Mensch bei nichts, was er auch tun mag, der physikalischen Gesetzmäßigkeit entrinnen zu können. Dann ist die Freiheit nur ein Phantasiegebilde und eine physikalischen Gesetzen unterworfene Ethik nichts anderes als ein leerer Wahn".4 3 J. B. Rhine, ehem. Direktor des parapsychologischen Instituts der Duke Universität, Durham, North Carolina, USA. 4 J. B. Rhine, Die Reichweite des menschlichen Geistes, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1950, S. 20.

- 5- 2.0 GEIST UND INFORMATIONSVERARBEITUNG Die bisher vorgetragenen Gesichtspunkte sollen im folgenden etwas näher unter dem Aspekt untersucht werden, daß der menschliche Geist ein informationsverarbeitendes System ist.5 Für den Menschen ist das geistige Leben ausschlaggebend, während die biologischen Funktionen wie Stoffwechsel, Wachstum, Fortpflanzung und Vererbung nur Hilfsfunktionen ausüben, d. h. das geistige Leben ermöglichen. Volkstümlich kann man das geistige Leben so umschreiben: Es besteht aus dem Bewußtsein (dem Ich-Bewußtsein), dem Denken und der Möglichkeit, gemäß dem Denken nach einer Willensentscheidung zu handeln, der Möglichkeit, vermittels der Sinnesorgane Erfahrungen zu sammeln und zu lernen, dem Ansammeln von Erinnerungen und der Möglichkeit, diese Erinnerungen bei Vorgängen des logischen Denkens und der Auslösung von Gemütsbewegungen beliebig zu verwenden und den Gemütsbewegungen selbst, wobei die Freude eine besonders gewichtige Rolle spielt. Aus physikalischer und kybernetischer Sicht besteht das geistige Leben in der Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen, d. h. Signalen, die durch physikalische Energie übertragen werden und zu Reizungen im lebendigen Organismus führen. Was bedeutet in diesem Zusammenhang nun Wille, Entscheidung, Freiheit, denken und handeln? Wir wollen uns bei diesen Überlegungen nur auf die bewußten Vorgänge beschränken, bei denen also alle verwendeten und auch neu gewonnenen Informationen dem jederzeitigen Zugriff und der jederzeitigen Verwendbarkeit zur Verfügung stehen, was bei unbewußten oder unterbewußten Vorgängen nicht der Fall ist. Unter einer Handlung wollen wir im folgenden den Vorgang der aktiven physikalischen Bewegung des menschlichen Körpers oder eines Teiles davon oder den Akt der Informationsabgabe oder Informationsaufnahme verstehen. Beide Vorgänge können miteinander gekoppelt sein. Also: Gehen oder Sprechen sind in diesem Sinne Handlungen. Biologie und Kybernetik haben nun gezeigt, daß die Voraussetzung jeder Handlung eine entsprechende Informationsverarbeitung im Zentralnervensystem des Körpers, also im menschlichen Geist, ist. Diese Informationsverarbeitungsprozesse werden im täglichen Leben z. B. mit den Worten: "denken", "entscheiden", "wollen" bezeichnet. Denken bedeutet, daß die vorhandenen Informationen probeweise miteinander verknüpft werden, daß mögliche Verbindungen und ihre Resultate samt den wahrscheinlichen Auswirkungen durchprobiert werden. Entscheiden heißt, daß der Prozeß mit den günstigsten Resultaten und Auswirkungen ausgewählt wird, und wollen heißt, daß beabsichtigt ist, die Entscheidung in eine Handlung umzusetzen. Eine Entscheidung als Voraussetzung zum Handeln kann aber vom menschlichen Geist nur getroffen werden, wenn vorher ausreichende Informationen aufgenommen worden sind, die dann bei der Entscheidung verarbeitet werden. Die notwendigen Informationen sind entweder durch die Erbanlagen (Gene) dem Körper zugeführt worden oder werden durch die Sinnesorgane aufgenommen und gegebenenfalls durch Lernprozesse aufgearbeitet. Einen Teil der durch Erbanlagen übernommenen Informationen nennt man Instinkte und Triebe. Ihr Informationsgehalt kann bei Entscheidungsprozessen, die einer Handlung vorangehen, von besonderem Gewicht sein, so z. B. deswegen, weil die Handlung durch parallellaufende Informationsaufnahme zu Lustgefühlen führt. Das ist bei Handlungen infolge des Geltungstriebes, Sexualtriebes, des Triebes zur Nahrungsaufnahme usw. der Fall. Jeder Vorgang, den wir mit "denken", "wollen", "entscheiden" oder gar "handeln" bezeichnen, wird durch eine spezielle Informationsaufnahme vor Beginn des Vorganges ausgelöst, der aber eine erhebliche Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung einschließlich entsprechender Lernprozesse zu früheren Zeiten vorangegangen sein müssen. 5 H. Grünewald, Schaltplan des Geistes, Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1971; F. Marfeld, Kybernetik des Gehirns, Safari-Verlag Berlin 1970; P. Glees, Das menschliche Gehirn, Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1971.

- 6- Ein Beispiel möge das erläutern: Eine Mücke sitzt auf dem Arm eines Menschen und sticht ihn. Die Rezeptoren in der Haut und die Augen melden den Vorgang an das Gehirn. Es findet also die auslösende Informationsaufnahme statt. Durch Informationsverarbeitung findet eine Beurteilung der Lage statt. Frühere Informationsaufnahmen mit anschließenden Lernprozessen melden die früheren Erfahrungen, daß Mückenstiche für den menschlichen Körper unangenehm, vielleicht sogar gefährlich sind (in Malariagebieten) und tunlichst verhütet werden müssen. Dies führt zu der Willensentscheidung, die Mücke zu töten. Es muß eine geeignete Handlung ausgelöst werden, z. B. ein Schlag mit der Hand. Damit dieser gelingt, muß im Gehirn ein geeignetes Programm für die Bewegung vorhanden sein. Das Programm aber resultiert aus früheren Lernprozessen oder ist dem Körper bereits vor der Geburt durch die Erbanlagen als Information6 mitgegeben. Der Entschluß zum Schlag mit der Hand, also die Willensentscheidung, kann anders ausfallen, wenn es sich bei dem gestochenen Menschen um einen Einbrecher handelt, der sich durch das Klatschen der Hand zu verraten fürchtet. Bei ihm sind also zusätzliche Informationen stärker gewichtet, haben einen größeren Einfluß bei der Willensentscheidung, so daß er den Schlag unterläßt und das kleinere Übel des Mückenstiches auf sich nimmt. Sollte es sich im Falle des Einbrechers jedoch statt der stechenden Mücke um eine angriffsbereite Giftschlange handeln, so wird in diesem Fall auch der Einbrecher seine Vorsicht aufgeben und den Angriff, selbst bei Verursachung von Geräuschen, abzuwehren versuchen. Die Gewichtung der Vorinformationen hat sich in diesem Fall verschoben. Während der Verarbeitung der Informationen zur Willensentscheidung verstreicht immer eine gewisse Zeit. Beim Totschlag der Mücke wird sie nur Bruchteile von Sekunden betragen. Die Entscheidung ist hier nach eindeutigen Kriterien sehr schnell gefällt. Das ist auch unbedingt erforderlich, da sonst die ausgelöste Handlung zum Erfolg zu spät kommt. Handelt es sich bei der Willensentscheidung jedoch um den Entschluß, nach Australien auszuwandern, so werden bis zur endgültigen Entscheidung und bis zur Ausführung wahrscheinlich Monate verstreichen. Möglicherweise werden vorher noch zusätzliche Informationen eingeholt werden müssen, z. B. solche über Reisekosten, Einwanderungsbestimmungen, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis usw. Erst nach Vorliegen einer genügenden Anzahl von Informationen und entsprechender Gewichtung bei der Informationsverarbeitung fällt der Mensch (wie übrigens auch das Tier) seinen Entschluß, und zwar immer nach den Gesichtspunkten, ob ihm selbst oder einem ihm nahestehenden Individuum die anschließende Handlung nützt, ihm eine bessere Chance im Kampf um das Dasein bietet oder ihm Lustgefühle vermittelt. Kein gesunder Mensch tut mit Absicht etwas, was ihm selbst im weitesten Sinne schaden könnte. Mit welchem Umfang von Vorinformationen sich jedoch ein Mensch vor einer Willensentscheidung zufrieden gibt, hängt von seinem Intelligenzgrad, seinem allgemeinen Wissen und seiner bisherigen Lebenserfahrung ab. 2.1. Konfliktsituation Interessant und beachtenswert sind auch die Fälle, in denen für die Willensentscheidung Informationen verarbeitet werden, die zu zwei entgegengesetzten Entschlüssen führen müßten. Die Entscheidung wird dann durch die Informationen (einschließlich der Triebe) mit der stärkeren Gewichtung herbeigeführt. Man kann auch sagen, daß die stärkeren Motive den Ausschlag geben. Was aber geschieht, wenn die Gewichtung der entgegengesetzten Motive gleich stark ist, wenn physikalisch gesehen also ein labiles Gleichgewicht besteht? 6 Zum Beispiel haben die Vögel ihre Fähigkeit, fliegen zu können, nicht etwa erlernt, sondern ererbt. Auch ein Vogel, der nie einen anderen Vogel hat fliegen sehen und der dies auch vorher nicht mühsam probiert hat, kann eines Tages nach einem entsprechenden Reifungsprozeß fliegen. Und das, ohne das er jemals eine Vorlesung über Aerodynamik besucht hat.

- 7- Man spricht dann von einer sogenannten Konfliktsituation. Sie kann dazu führen, daß im günstigsten Fall die Entscheidung gemäß einem der beiden entgegengesetzten Motive erfolgt oder aber, daß das Individuum (Mensch oder Tier) etwas Sinnloses tut oder in Wut gerät oder in Lethargie versinkt oder dergleichen mehr. Das informationsverarbeitende System des Menschen, sein Gehirn, ist hier überfordert worden. Sein Vorrat an Verknüpfungen, logischen Schaltungen und Programmen hat nicht ausgereicht, um eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. Die Konfliktsituationen sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Situationen, in denen echtes Zufallsgeschehen einsetzt im Sinne einer Akausalität, wie wir sie aus der Mikrophysik kennen. Hier liegt die Entscheidung im wahrsten Sinne auf des Messers Schneide. Ein mikrophysikalischer Vorgang, beispielsweise die thermische Bewegung eines oder weniger Elektronen und damit die Entstehung einer geringen elektrischen Spannung, kann möglicherweise in dem bestehenden labilen physikalischen Gleichgewicht eine der geschilderten Verhaltensweisen auslösen. Allerdings kennt man zur Zeit noch keine Einzelheiten der hier aufgezeigten und vermuteten Vorgänge und hat demzufolge auch keine strengen Beweise dafür, doch ist es heute durchaus durchführbar, ein derartiges Verhalten in künstlichen, d. h. vom Menschen hergestellten elektronischen Datenverarbeitungssystemen nachzubilden. Konfliktsituationen treten im menschlichen Leben häufiger auf, als man gewöhnlich annimmt, sei es im Alltag beim Einkauf gegenüber den Verlockungen eines überreichen Warenangebotes, sei es in der Politik, wo Geltungsdrang und Vernunft in einem Politiker einander entgegenwirken. Auf jeden Fall muß man damit rechnen, daß akausales Geschehen bei Konfliktsituationen einen großen Einfluß auf das Leben des einzelnen Menschen wie der Gemeinschaft hat. 2.2 Willensfreiheit Aus den Erkenntnissen, die uns bisher Physik, Biologie, Anatomie und Kybernetik geliefert haben, können wir den Schluß ziehen, daß die Willensfreiheit bei einem gesunden Menschen (d. h. mit ordnungsgemäß funktionierendem Informationsverarbeitungssystem) darin besteht, daß er die Möglichkeit hat, aus den ihm vorliegenden (d. h. in seine Speicher übernommenen) Informationen nach Informationsverarbeitung durch logische Operationen7 eine Entscheidung zu fällen, die er anschließend in eine Handlung umzusetzen versucht. Alle diese Vorgänge sind letztendlich physikalischer Natur und können heute schon zum Teil, später vielleicht einmal vollständiger, meßtechnisch verfolgt werden. Unter Willensfreiheit wird hier also nicht etwas außerhalb der Naturgesetze Stehendes, etwas undefiniert Überirdisches oder mystisch Verschwommenes verstanden, sondern etwas, das der Untersuchung, der messenden Erfahrung und der analytischen Zergliederung zugänglich ist, etwas, das nach festen Gesetzen abläuft. Wir müssen daher heute bereits die Frage- und Problemstellung ändern. Sie lautet nicht mehr: Liegt Willensfreiheit (oder Entscheidungsfreiheit) vor, was bedeutet, daß man (in gewissen Grenzen) tun und lassen kann, was man will oder liegt Kausalität, Determinierung und aufgehobene Willensfreiheit vor, was bedeutet, daß alle Handlungen und Gedanken durch äußere Zwänge bedingt sind und das eigene Ich ausgeschaltet ist. Bei dieser Fragestellung werden nämlich die Begriffe Wille, Freiheit und Ich in völlig verschwommener und undefinierter Weise verwendet. Man hat den Eindruck, als ob das Wort Freiheit mit einer Art Zufallsgenerator gleichgesetzt wird. Wir müssen heute sagen: Das eigene Ich ist das informationsverarbeitende System des Menschen, lokalisiert im Zentralnervensystem. Entscheiden und wollen kann dieses System erst dann etwas, wenn ihm von außen Informationen (Signale oder Reize) zugeflossen sind. Die Entscheidung erfolgt erst nach entsprechender Informationsverarbeitung und gemäß Kriterien, die dem informationsverarbeitenden System Mensch eingepflanzt sind, entsprechend seiner inneren "Verdrahtung", seinen eingespeicherten Programmen usw. Diese Prozesse verlaufen überwiegend (abgesehen von den Konfliktsituationen) nach den kausalen Gesetzen der Makrophysik. 7 Immer im Sinne der Rechenmaschinentechnik.

- 8- Die Freiheit besteht jetzt darin, daß das Ich nur nach den eigenen Informationen und nach eigener Informationsverarbeitung eine Entscheidung zum Wollen und Handeln trifft und nicht durch von außen kommende Einflüsse unter Umgehung der eigenen Informationsverarbeitung und unter Umgehung der eigenen Bewertung gesteuert und im Sinne eines äußeren Zwanges zu Handlungen veranlaßt wird. • Bei dieser Betrachtungsweise besteht jetzt kein Gegensatz mehr zwischen kausaler Gesetzmäßigkeit und der Freiheit zum Wollen und Entscheiden. Hier ist die kausale Gesetzmäßigkeit die unabdingbare Voraussetzung zur Willensfreiheit, denn ohne sie gäbe es keine Gedanken, keine Entscheidung, keinen Willen, ja nicht einmal Leben und damit auch keine Freiheit. Nach den vorgetragenen Überlegungen und Definitionen müssen wir eine Willensfreiheit im Sinne der Informationsverarbeitung auch den Tieren und Pflanzen zusprechen. Auch diese Lebewesen erfahren ständig Reize, d. h. nehmen Informationen auf, verarbeiten sie in Entscheidungsprozessen und setzen sie anschließend in Handlungen um, die ihr Fortleben und ihre Fortpflanzung ermöglichen und sichern sollen. • Willensfreiheit ist in diesem Sinne eine Eigenschaft des Lebens überhaupt. In diesem Zusammenhang sei an August Bier8 erinnert, der von den zwei kennzeichnenden Merkmalen des Lebens spricht: "Reizbarkeit und zielstrebige Handlung. Nur das Lebendige ist reizbar. Was nicht reizbar ist, hat nie gelebt oder ist abgestorben."9 Manchem Leser wird bei diesen Gedankengängen unwohl werden. Viele Menschen meinen ja aus Gründen des Geltungsbewußtseins, daß zwischen Pflanzen und Tier einerseits und dem Menschen andererseits ein prinzipieller Unterschied bestehen müsse, wobei diese geheimnisvolle Willensfreiheit einen besonders wichtigen Punkt darstellt. Willensfreiheit wird eben Tieren oder gar Pflanzen nicht zugestanden. Diese wird als menschliches Privileg angesehen. Aber man sollte sich hüten, aus solchen überkommenen Anschauungen ein Dogma zu machen. Selbstverständlich besteht zwischen Menschen und anderen Lebewesen ein Unterschied; aber er ist nicht prinzipieller sondern gradueller Art. Selbstverständlich steht die Willensfreiheit bei Pflanzen und Tieren auf einer anderen Stufe als bei den Menschen, wie sie ja auch bei den einzelnen Individuen der Menschen sehr unterschiedlich sein kann. Die Unterschiede bestehen in Art und Umfang der Informationsverarbeitung, die einer Willensentscheidung vorangeht. Die Anzahl und die Verknüpfungen der logischen Operationen vor einer Willensentscheidung sind bei Menschen sehr viel größer als bei anderen Lebewesen. Während bei der Willensentscheidung einer Pflanze, beispielsweise zum Wachstum, vielleicht nur drei verschiedene Informationen gewichtet und ausgewertet werden, etwa Temperatur, Lichtverhältnisse und Feuchtigkeit, können die erforderlichen ausgewerteten und gewichteten Informationen bei einer tierischen und menschlichen Willensentscheidung sehr viel größer sein. Insofern können wir den Tieren und erst recht den Menschen eine sehr viel größere Willensfreiheit zusprechen als den Pflanzen. Übrigens besteht ein beachtenswerter Unterschied zwischen Pflanze und Tier darin, daß Tiere lernen können, d. h. sich aus positiven und negativen Erfahrungen bei ihren Handlungen einen neuen Informationsvorrat schaffen und speichern können, der bei neuen Willensentscheidungen sinnvoll mitverwendet wird. Die Pflanze kann das nicht, sondern handelt und reagiert nur nach ererbten (d.h. im Sinne der Technik "fest verdrahteten") Programmen.10 8 Prof. A. Bier, 1861 - 1949, Chirurg in Berlin von 1907 - 1932. Deutscher Nationalpreis für Wissenschaft 1937. 9 A. Bier, Die Seele, J. F. Lehmanns Verlag, München 1940, S.97. 10 Wenn dem Verfasser möglicherweise seltsame Sonderfälle unbekannt sein sollten, so sind sie hier nicht von entscheidender Bedeutung.

- 9- Die These, daß in Bezug auf Willensfreiheit nicht ein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied zwischen dem Menschen und anderen Lebewesen besteht, findet auch darin ihre Stütze, daß der Mensch im Verlaufe der Evolution, also einer sehr langen Entwicklung, aus tierischen Lebewesen entstanden ist. Die Festlegung, ab wann die Vorfahren der heutigen Menschen auch schon als Menschen anzusprechen sind, etwa nach Verwendung des Feuers, ist absolut willkürlich. Ebenso willkürlich wäre es zu sagen, ab jener Generation besaßen die Lebewesen Willensfreiheit und bis zur vorhergehenden noch nicht. Auch hier ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung ohne nennenswerten Sprung anzunehmen. 2.3 Vorherbestimmung des menschlichen Verhaltens? Die bisherigen Darlegungen über die Willensfreiheit lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Ein großer Teil der menschlichen Entscheidungsprozesse läuft sicherlich nach den kausalen Prinzipien der Physik ab. Ein Teil derartiger Entscheidungsprozesse läßt sich auch in heutigen elektronischen Rechenanlagen verwirklichen, und sie verlaufen dort gleichfalls physikalisch streng kausal. Aber zu dieser Gruppe der kausal verlaufenden Willensentscheidungen kommen beim Menschen noch die Entscheidungsprozesse, die aus Konfliktsituationen resultieren. Hier finden das Kausalitätsprinzip und die Determinierung ihre Grenzen. Es setzt Zufallsgeschehen ein, das eine Vorhersage des menschlichen Verhaltens unmöglich macht. Auch Berichte aus der Parapsychologie, über die später noch gesprochen werden soll, lassen keinen Schluß auf absolute Festlegung menschlichen Schicksals bis in fernste Zeiten zu. 2.4 Ethische Beurteilung Zunächst soll noch ein zweites Problem beleuchtet werden. Wenn, wie hier dargelegt wurde, die Willensfreiheit darin besteht, daß im menschlichen Geist Informationsverarbeitungsprozesse nach physikalischen Gesetzen ablaufen, so ist die Frage sehr naheliegend, ob nicht Begriffe wie Schuld, Verantwortung, Strafe usw. sinnlos und überflüssig werden oder mit einem anderen Sinn versehen werden müssen. Die Begriffe Schuld und Verantwortung werden ja meist mit einem ethischen und moralischen Sinn versehen. Viele werden es aber zunächst nicht einzusehen vermögen, daß möglicherweise Verbindungen zwischen Physik und Informationsverarbeitung einerseits und Ethik und Moral andererseits bestehen können. 2.4.1 Sinn der Strafe Doch befassen wir uns zunächst mit dem Begriff Strafe. Wenn wir alle Lebensvorgänge auf unserer Erde beobachten, so können wir das Bestreben aller lebenden Individuen feststellen, das Leben zu erhalten bzw. fortzuführen. Auch jede Gattung und jede Art hat dieses Bestreben und führt darum einen Kampf, den Kampf um das Dasein, der zumeist auf Kosten anderer geht. Sehr vereinfachend dargestellt heißt das, der Stärkere frißt den Schwächeren. Damit dieser Kampf aber nicht ins Uferlose geht und schließlich zur Auslöschung jeglichen Lebens führt, haben gleichgeartete Lebewesen Verhaltensweisen unter sich entwickelt, oder ein Schöpfer hat sie ihnen eingegeben, die dazu führen, daß das gleichgeartete Lebewesen geschont oder sogar gefördert wird. Dadurch werden die Überlebenschancen im Kampf ums Dasein für die ganze Art erhöht und erhöhen sich damit letztendlich auch für das einzelne Individuum.

- 10- Ein Teil dieser Verhaltensweisen zur Schonung des anderen Individuums ist für den Menschen in Form von Vorschriften und Gesetzen gekleidet, denen bestimmte Moralvorstellungen zugrunde liegen. Die Moral aber ist das Vorstellungs- und Gedankengebäude, das der Mensch über Ziele und Handlungsweisen zur Schonung und Förderung des anderen Individuums besitzt. Diese Moralvorstellungen können sehr verschieden aussehen, je nachdem, ob sie beispielsweise kommunistischen, christlichen oder sonstigen Ursprungs sind. Allen Moralvorstellungen und den daraus resultierenden Gesetzen ist jedoch gemeinsam, daß Verstöße des einzelnen Individuums gegen diese Gesetze mit Strafe belegt werden. An die Strafe ist die Wiedergutmachung gekoppelt. Dabei bedeutet Strafe eine Handlung (oder auch die Unterlassung einer Handlung), die dem davon betroffenen Individuum unangenehm, nachteilig, schmerzhaft oder dergleichen mehr ist. Sie soll das Individuum veranlassen, in Zukunft nicht wieder gegen die Moralvorstellungen und Gesetze zu verstoßen. 2.4.2 Strafe als Ausgang eines Lernprozesses Diesen Sinn der Strafe können wir auch im Bilde und nach Kenntnissen der Informationsverarbeitung beibehalten. Die Aufgabe einer Strafe und auch der Wiedergutmachung ist es hierbei, Lernprozesse in Gang zu setzen, die zu neuen Vorinformationen für künftige Entscheidungen führen. Die Gewichtung der Informationen soll eine andere werden, und als Folge davon soll im Wiederholungsfall eine andere Entscheidung resultieren, die nicht im Widerspruch zu den Gesetzen steht, die nicht zur Strafe und damit nicht zu Unannehmlichkeiten führt. In manchen Fällen kann bereits die Wiedergutmachung diese Aufgabe erfüllen. Der durch die Strafe in Gang gesetzte Lernprozeß soll möglichst schon vor der Tat durch die abschreckende Wirkung der zu erwartenden Strafe erfolgen. Ist die Tat trotzdem erfolgt, soll die Vollziehung der Strafe das Umdenken, den Lernprozeß, herbeiführen. Derjenige, der trotz Strafandrohung gegen Gesetze verstößt, um sich dadurch einen persönlichen Vorteil zu verschaffen und damit anderen einen Nachteil zufügt, ist zunächst uneinsichtig. Er erkennt nicht, daß die strikte Einhaltung der Gesetze letztendlich auch ihm selbst zugute kommt. Er bewertet das empfindliche Übel, das ihm die Strafe zufügt, nicht in ausreichendem Maße, oder er hofft, daß seine Tat unentdeckt bleibt. Woran liegt das? Erziehung zum In-Gang-setzen von Lernprozessen zur Gewinnung neuer Verhaltensweisen wird immer als unangenehm empfunden. Umdenken und Lernen macht Mühe, ist physikalisch gesehen mit erhöhtem Energieverbrauch verbunden. Schon die Leistungsaufnahme des normal arbeitenden Gehirns beträgt ungefähr 25 Watt und damit etwa ein Viertel des gesamten Leistungsverbrauchs eines körperlich nicht schwer arbeitenden Menschen. Mit der im Körper gespeicherten physikalischen Energie versucht aber jeder Mensch aufgrund eines ihm innewohnenden starken Triebes, des Bequemlichkeitstriebes, sehr sparsam umzugehen. Daher verschließen viele Menschen völlig ihre Augen vor neuen Erkenntnissen und sind vielfach nur durch äußerste Gewalt, z. B. durch Kriminalstrafen, schwere Schicksalsschläge oder ähnliches, zum Umdenken und zur Korrektur der inneren Einstellung zu bewegen. 2.4.3 Schuld Nachdem die Strafe und ihr Sinn behandelt worden ist, sind die Voraussetzungen der Strafe zu untersuchen. Im Strafrecht gelten als Voraussetzungen einer Strafe: 1.) Gesetzlicher und konkreter Tatbestand. 2.) Rechtswidrigkeit. 3.) Schuld (d. h. man muß einem Täter aus einer Handlung einen Vorwurf machen können). Zu dem Begriff Schuld sagt ein Lehrbuch des Strafrechtes: "Diese bedeutet, daß man dem Täter aus seinem (tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen) Verhalten auch einen Vorwurf machen, daß man ihn verantwortlich machen kann. Wie dieser Vorwurf psychologisch und philosophisch zu erklären ist, ob die Verantwortung insbesondere die sogenannte 'Willensfreiheit' zur

- 11- Voraussetzung hat oder auch auf deterministischer Grundlage möglich ist, das ist sehr umstritten. Hierauf kann hier nicht eingegangen, es muß also auf einen theoretischen Ausgangspunkt verzichtet werden."11 Im Rahmen der hier vorgebrachten Darlegung soll die Schuld folgendermaßen definiert werden: Schuld ist Mangel an rechtzeitigen und ausreichenden Lernprozessen, die ein gesetzestreues Verhalten innerhalb der Gesellschaft ermöglichen. Wenn dieser Mangel und zugleich der Tatbestand einer mit Strafe bedrohten Handlung bei einem Individuum vorliegen, wird es zur Verantwortung gezogen. Das bedeutet, es muß für seine Tat einstehen und muß die Strafe ertragen, d. h. sich einem Lernprozeß unterziehen. 2.4.4 Rache und Vergeltung In diesem Gedankengebäude, das man ohne innere Emotionen und Vorurteile betrachten muß, hat Strafe nur in dem Umfang Platz, wie sie zur Umerziehung des Individuums notwendig ist. Strafe als Rache oder Vergeltung, also als etwas, was weit über den erforderlichen Lernprozeß hinausgeht, ist abzulehnen und sinnlos. Rache verstockt nur den Menschen und macht ihn uneinsichtig, bewirkt also das Gegenteil, was eine sinnvolle Strafe ausrichten soll. Gedanken der Rache und der Vergeltung im Sinne der unverhältnismäßigen Schadenszufügung sind allen Menschen als sehr starker Trieb zutiefst eingepflanzt. Dieser Trieb stammt wahrscheinlich noch aus Zeiten (z. B. der tierischen Existenz), in denen es noch keine Rechtsnormen gab und in denen die Rache der individuelle und private Strafvollzug am anderen Individuum war. Dieses sollte davon in Kenntnis gesetzt werden, daß es besser wäre, keinen Streit mit dem Rächer anzufangen. In unserer heutigen Zeit ist dieser Rache- und Vergeltungstrieb überflüssig geworden, erschwert nur das Zusammenleben der Menschen und muß daher mit intensiven Lernprozessen unterdrückt oder überdeckt werden. Wie schwer das aber ist, kann mancher entlassene Strafgefangene feststellen, der von seiner Umwelt geschnitten oder beleidigt wird, obwohl er noch nicht wieder straffällig geworden ist. Hier nimmt die Umwelt an ihm noch ihre private Rache und macht dadurch oft die Wirkung der Strafe zunichte. 2.4.5 Vergebung Nicht ohne Grund verwirft die christliche Religion in so starkem Maße die Rache und Vergeltung und stellt dafür die Vergebung in den Vordergrund. Dabei ist die Vergebung keine einseitige Handlung in Form einer bedingungslosen Amnestie, also einer einfachen Aufhebung der verwirkten Strafe. Vergebung setzt reuevolle Einsicht in das Verwerfliche der Tat und den unbedingten Willen zur Besserung voraus. Bedingung zur Vergebung ist also, daß der Lernprozeß, der durch eine Strafe normalerweise in Gang gesetzt werden soll, bereits vollzogen ist. In diesem Fall ist die Strafe überflüssig geworden. Ihr Vollzug wäre nur noch Rache. In diesem Sinne spricht der evangelische Geistliche nach der Beichte, in der die Verfehlungen bekannt, bedauert und in der Besserung gelobt ist, in der Absolution die Worte: Auf dieses euer Bekenntnis hin verkündige ich allen, die ihre Sünde herzlich bereuen, an Jesus Christus wahrhaftig glauben und den ernstlichen Vorsatz haben, ihr Leben zu bessern, die Gnade Gottes und die Vergebung ihrer Sünden. 11 H. Engelhard, Einführung in das Strafrecht, Adolf Rausch Verlag, Heidelberg 1946, S. 23.

- 12- 2.5 Schlußbetrachtung aus physikalischer Sicht Die Willensfreiheit wurde bislang unter den Gesichtspunkten physikalischer Gesetzmäßigkeiten und der darin eingebauten Fragen der Informationsverarbeitung betrachtet. Es wurde dargelegt, daß Ablauf physikalischer Gesetze bei Lebensvorgängen und Prozessen der Willensentscheidung nicht absolute und vorhersehbare Zwangsläufigkeit und völlige Determiniertheit bis in Jahrtausende hinein bedeutet. Es wurden die Grenzen des Kausalitätsbegriffes, ganz besonders in der Mikrophysik, aufgezeigt. In diesem Zusammenhang soll noch die Meinung des Physikers Pascual Jordan12 zitiert werden. Er schreibt: "Die 'Quantenmechanik', welche diese gesetzlichen Zusammenhänge vollständig und in umfassendster Weise feststellt, lehrt uns ferner, daß unsere Unfähigkeit, über das statistische Gesetz hinausgehend auch den Einzelfall vorauszusehen, nicht etwa auf einer Unzulänglichkeit unseres Wissens (die später einmal behoben werden könnte) beruht: Es besteht hier in dem Geschehen an einzelnen Atomen eine wirkliche 'Freiheit'13, die etwas ganz Neues gegenüber allen älteren naturwissenschaftlichen Vorstellungen ist. Dieses Ergebnis der modernen Physik bringt eine völlig veränderte Lage im Verhältnis von Religion und Naturwissenschaft. Wir wollen ganz darauf verzichten, an dieser Stelle der weiteren philosophischen Erörterung vorzugreifen: Es mag genügen, gezeigt zu haben, daß die Problemlage, aus der die Möglichkeit einer antireligiösen Verwertung der Naturwissenschaft entstand - und für welche Kant eine scharfsinnige, dem Materialismus bestimmte Grenzen ziehende Lösung versucht hat - einfach nicht mehr vorhanden ist, nachdem die Vorstellung des absolut zwangsläufigen Naturgeschehens durch das physikalische Experiment selber widerlegt worden ist. Es könnte zwar scheinen, daß die Hoffnung auf eine hier sich ankündigende neue Harmonisierung von Religion und Naturwissenschaft zu schwach begründet sei, wenn die im Naturgeschehen entdeckte 'Freiheit' nur für Atome und Elektronen gilt, während für große aus vielen Atomen zusammengesetzte Körper doch die alte Kausalitätsvorstellung in Kraft bleibt. Aber es hat sich in den letzten Jahren der 'Quantenphysik' eine 'Quantenbiologie' an die Seite zu stellen begonnen, welche aus biologischen Experimenten die Erkenntnis abgeleitet hat, daß lebende Organismen in ihren Reaktionen weitgehend abhängig sind von Prozessen äußerster Feinheit - solcher Feinheit nämlich, daß es sich dabei geradezu um Einzelreaktionen einzelner Moleküle handelt: Diese Abhängigkeit des Lebensgeschehens von 'steuernden' Vorgängen, die ihrerseits der Kausalität der physikalischen Grobgebilde nicht mehr unterstehen, entzieht die biologischen Erscheinungen grundsätzlich der lückenlosen mechanischen Kausalität. Wie immer man denken mag über die endgültige Bewertung, welche die berührten neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in Zukunft einmal finden werden - niemand wird die Tatsache aus der Welt schaffen können, daß durch diese neuen Erkenntnisse die alten großen Probleme eines Jahrhunderte erfüllenden Ringens zwischen Naturwissenschaft und Religion völlig neu aufgerollt sind."14 2.6 Präkognition und Vorherbestimmung Zum Schluß dieser Abhandlung sollen noch parapsychologische Gesichtspunkte der Willensfreiheit und Vorherbestimmung behandelt werden. Wenn zwar die Physik nach den heutigen Erkenntnissen und Anschauungen keine absolute Vorherbestimmung annimmt, so könnte doch die Tatsache, daß in der Parapsychologie die Präkognition bekannt ist, zu der Annahme verleiten, daß eben doch alles Geschehen exakt vorherbestimmt ist. Schließlich gibt es ja in der Parapsychologie Vorhersagen, die sich über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte erstrecken und in allen vorhergesagten Einzelheiten endlich eintreffen. Aber treffen sie wirklich alle in sämtlichen Einzelheiten ein? 12 P. Jordan, geb. 1902, Prof. für theoretische Physik in Hamburg. 13 Freiheit im Sinne des nicht Voraussehbaren, Anm. d. Verf. 14 P. Jordan, Die Physik und das Geheimnis des organischen Lebens, Verlag F. Vieweg, Braunschweig 1947, S. 155.

- 13- Bei genauer Durchsicht der Voraussagen auch seriöser Vorschauer stellt man fest, daß sehr vieles nicht eintrifft oder nicht genau eintrifft. Dr. Schmeϊng schreibt in seinem Buch "Das Zweite Gesicht in Niederdeutschland"15 nach Berichten entsprechender Beispiele: "Eine zwangsläufige bis in alle Einzelheiten durchgreifende Erfüllung, wie sie in den Vorschauerzählungen häufig betont wird, trifft also nicht mit Notwendigkeit ein. Es können nicht nur Einzelheiten ausfallen, sondern auch ganze Vorgesichte ohne Erfüllung bleiben." Bei diesen Fehlprognosen kann man natürlich die Vermutung hegen, daß bei der Aufnahme der Vorschau durch den Paragnosten einfach Übermittlungsfehler aufgetreten sind. Aber das läßt sich zunächst nicht beweisen, wie natürlich ebenso auch nicht das Gegenteil. 2.6.1 Eingriffe in vorhergeschaute Ereignisse Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Fälle, bei denen der Vorschaubericht dem oder den davon betroffenen Menschen vor Eintritt eines für sie unangenehmen Ereignisses bekannt wurden. Unterstellen wir einmal, daß die Vorschau vom Paragnosten richtig aufgenommen wurde und daß weiterhin unabänderliche Determination herrscht. In diesem Fall müßte es unmöglich sein, die exakte Erfüllung der Vorschau aufzuhalten, selbst wenn man rechtzeitig von der Vorschau erführe. Tatsächlich gibt es aber Berichte, in denen der verhängnisvolle Ausgang eines Ereignisses abgewendet werden konnte. Einen solchen Fall berichtet uns Justinus Kerner16 aus dem Jahre 1827 von seiner Patientin Friederike Hauffe: Diese sah in mehreren Gesichten ihren Bruder sterbend auf einer Bahre liegen und konnte auf dringliches Befragen angeben, daß ihr Bruder am 18. Januar einem Mordanschlag zum Opfer fallen würde, wobei sie Alter und Herkunft des Täters mitteilen konnte. Der Bruder wurde nun aber gewarnt und verhielt sich am angegebenen Tag und in der fraglichen Situation vorsichtig. Dadurch verfehlte ihn der Täter, ein Holzdieb, als er auf ihn schoß. Der Schuß ließ nur Spuren an einem Baum und im Schnee zurück. In dem folgenden Bericht weiß der unmittelbar Betroffene nichts von der Vorschau. Dagegen wissen es seine Angehörigen und versuchen von ferne auf das Ereignis Einfluß zu nehmen: "Eine Berichterstatterin, die von Kind auf - wie sie sagt - das 'Zweite Gesicht' hatte, träumt wiederholt: Ihr Sohn kniet auf einem Brachfeld im Scheinwerferlicht, die Achselklappen abgerissen, ohne Koppel, die Augen nach rechts in Todesangst wie hilfesuchend auf sie gerichtet. Im Genick hat er einen schwarzgrauen Fleck wie eine Einschußwunde. Sie vertraut sich ihrem Beichtvater an, der ihr beruhigend erklärt, das 'Zweite Gesicht' müsse nicht unbedingt eintreffen. Er empfiehlt ihr, um Milderung zu beten. Alle die Jahre, die ihr Sohn in Rußland stand, hat sie furchtbar gelitten, besonders im Vorfrühling - die Zeit, die auf das Brachfeld hinwies. Am 8. Februar sagte ihr eine 'innere Stimme', daß jetzt der Tag der Erfüllung sei. Den ganzen Abend und die ganze Nacht betete die Familie um göttlichen Beistand. Gegen Morgen trat eine Beruhigung bei ihr ein, wie bei einem schwerkranken Menschen nach einer überstandenen Krise. Sie wußte, ihr Sohn hatte es überstanden. Entweder war er tot oder in Gefangenschaft. Im Jahre 1948 kehrte er aus Rußland heim. Am Abend des 8. Februar 1945 hatten russische Panzer die deutschen Linien durchbrochen und die flüchtigen Verwundeten eines Hauptverbandsplatzes mit Scheinwerfern eingekreist und auf einem Brachfeld erschossen. Sie hießen auch ihn niederknien, um ihm den Genickschuß zu geben. In letzter Sekunde wurde befohlen, diesen einzigen Gefangenen zum Verhör vorzuführen. Als der Morgen angebrochen war, hieß ihn der russische Oberst sich auf den Turm eines Panzers zu setzen. Als einziger war er gerettet."17 15 K. Schmeϊng, Das Zweite Gesicht in Niederdeutschland, Verlag J. A. Barth Leipzig 1937, S. 154. 16 J. Kerner, Die Seherin von Prevorst, erschienen bei Verlag Ph. Reclam, Leipzig 1938, S. 162. 17 H. Bender, Der Krieg im Spiegel okkulter Erlebnisse, in: Neue Wissenschaft 1960, H. 1, S. 18 - 24.

- 14- In einem dritten Bericht ist zwar nicht von einer Vorschau die Rede, so daß auch keiner der betroffenen Menschen korrigierend eingreifen kann. Doch hat man den Eindruck, als ob ein jenseitiges Wesen18 das drohende Schicksal kennt und korrigierend einzugreifen versucht: "Es war im Krieg an einem schönen Herbstvormittag, als wir wieder mal aus dem Luftschutzkeller ans Tageslicht kamen, froh darüber, daß der Angriff für uns ohne Schaden anzurichten vorübergegangen war. Bald danach schellte es, und mein Nachbar stand ganz aufgeregt vor der Tür. 'Frau H., auf den Polizeibunker ist ein Volltreffer gefallen, und alle Männer sind tot.' Voller Angst eilte ich zum Telefon, um mir Gewißheit zu verschaffen. Ich bekam sie. 'Ja, ihr Mann war auch im Bunker, antwortete die Stimme am anderen Ende der Leitung. Noch ganz benommen setzte ich mich auf mein Rad, um hinzufahren. 'Franz, Franz', rief ich laut, 'es kann nicht wahr sein, daß ich dich unter Trümmern begraben wiedersehen soll.' Ich wollte und konnte es nicht wahrhaben. Unterwegs begegnete ich einer mir bekannten Krankenschwester. Sie bot mir ihre Hilfe an mit den Worten: 'Ich lasse sie nicht allein dort hinfahren, ich komme mit.' Wir waren erst eine kurze Strecke gefahren, als unsere Augen glaubten, eine Erscheinung käme uns entgegen. Es war aber kein Geist, sondern ein lebendiger Mensch, mein Mann. Beide warfen wir unsere Räder hin und lagen uns in den Armen. Noch war es wie ein Traum, ihn lebend wiederzusehen. Dann erfuhr ich die seltsame Geschichte, warum er nicht mit den Bedauernswerten unter den Trümmern lag. Bei Voralarm mußte diese Gruppe von der Stadt zu der Außenstation fahren. Mein Mann ging in den Nebenraum, um seine Ausrüstung zu holen. Als er den Stahlhelm vom oberen Rück herunterholen wollte, bekam er weder den rechten noch den linken Arm hoch. Es war, als ob sich jemand mit seinem ganzen Gewicht auf den sich hochhebenden Arm legte. Er versuchte es immer wieder, doch der Druck war so groß, daß er es nicht schaffte. So waren einige Minuten vergangen, die für sein Schicksal bestimmend sein sollten. Erst nachdem er allein im Raum war, ließ der Druck nach, und als er nun den Stahlhelm heruntergeholt hatte, fuhr er schnellstens seinen Kameraden nach. Als er an die Brücke kam, an deren Ende die Außenstation lag, fielen in unmittelbarer Nähe die ersten Bomben. Den kurzen Weg über die Brücke konnte er nun nicht mehr schaffen, um sich in den Schutz des Bunkers zu begeben. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als gleich beim ersten Pfeiler der weitgespannten Brücke Schutz zu suchen, obgleich sie sicher das Angriffsziel war. Er tat es voller Angst, jeden Augenblick den Einschlag erwartend. Aber der nicht mehr geschaffte Weg über die Brücke sollte für ihn nicht der Tod, sondern das Leben sein. Welche geistige Kraft hatte ihn vor dem Tode bewahrt? War es sein bereits in die andere Welt gegangener Vater? Man kann es nicht beantworten, nur danken."19 Die angeführten Berichte sind selbstverständlich keine Beweise im strengen Sinn. Sie und auch andere, ähnliche Berichte geben nur gewisse Hinweise. Aber ebenso muß man feststellen, daß auch das, was über Präkognition bekannt ist, kein Beweis für unabänderliche Vorausbestimmung ist. Präkognition in der heute bekannten Form gleicht doch mehr der Wettervorhersage der Meteorologen. Selten trifft die Wettervorhersage exakt zu, häufig trifft sie ungefähr ein und manchmal ist sie völlig falsch. Trotzdem ist die Wettervorhersage kein Glücksspiel und hat einen großen wissenschaftlichen und praktischen Wert. Zum Schluß sollen noch zwei Berichte "jenseitiger" Geistwesen angeführt werden, ohne daß auch diesen Beweischarakter zugemessen werden soll. Aber als Äußerungen aus einer "anderen" Welt, in die wir nach unserem Tode eintreten werden, sind sie doch wenigstens lesens- und überlegenswert. 18 Der Bericht ist allerdings auch animistisch deutbar. 19 Hanna H., Minuten entscheiden ein Schicksal, in: Esotera 1970, H. 4, S. 34.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3