Ist unser Schicksal festgelegt?

- 11- Voraussetzung hat oder auch auf deterministischer Grundlage möglich ist, das ist sehr umstritten. Hierauf kann hier nicht eingegangen, es muß also auf einen theoretischen Ausgangspunkt verzichtet werden."11 Im Rahmen der hier vorgebrachten Darlegung soll die Schuld folgendermaßen definiert werden: Schuld ist Mangel an rechtzeitigen und ausreichenden Lernprozessen, die ein gesetzestreues Verhalten innerhalb der Gesellschaft ermöglichen. Wenn dieser Mangel und zugleich der Tatbestand einer mit Strafe bedrohten Handlung bei einem Individuum vorliegen, wird es zur Verantwortung gezogen. Das bedeutet, es muß für seine Tat einstehen und muß die Strafe ertragen, d. h. sich einem Lernprozeß unterziehen. 2.4.4 Rache und Vergeltung In diesem Gedankengebäude, das man ohne innere Emotionen und Vorurteile betrachten muß, hat Strafe nur in dem Umfang Platz, wie sie zur Umerziehung des Individuums notwendig ist. Strafe als Rache oder Vergeltung, also als etwas, was weit über den erforderlichen Lernprozeß hinausgeht, ist abzulehnen und sinnlos. Rache verstockt nur den Menschen und macht ihn uneinsichtig, bewirkt also das Gegenteil, was eine sinnvolle Strafe ausrichten soll. Gedanken der Rache und der Vergeltung im Sinne der unverhältnismäßigen Schadenszufügung sind allen Menschen als sehr starker Trieb zutiefst eingepflanzt. Dieser Trieb stammt wahrscheinlich noch aus Zeiten (z. B. der tierischen Existenz), in denen es noch keine Rechtsnormen gab und in denen die Rache der individuelle und private Strafvollzug am anderen Individuum war. Dieses sollte davon in Kenntnis gesetzt werden, daß es besser wäre, keinen Streit mit dem Rächer anzufangen. In unserer heutigen Zeit ist dieser Rache- und Vergeltungstrieb überflüssig geworden, erschwert nur das Zusammenleben der Menschen und muß daher mit intensiven Lernprozessen unterdrückt oder überdeckt werden. Wie schwer das aber ist, kann mancher entlassene Strafgefangene feststellen, der von seiner Umwelt geschnitten oder beleidigt wird, obwohl er noch nicht wieder straffällig geworden ist. Hier nimmt die Umwelt an ihm noch ihre private Rache und macht dadurch oft die Wirkung der Strafe zunichte. 2.4.5 Vergebung Nicht ohne Grund verwirft die christliche Religion in so starkem Maße die Rache und Vergeltung und stellt dafür die Vergebung in den Vordergrund. Dabei ist die Vergebung keine einseitige Handlung in Form einer bedingungslosen Amnestie, also einer einfachen Aufhebung der verwirkten Strafe. Vergebung setzt reuevolle Einsicht in das Verwerfliche der Tat und den unbedingten Willen zur Besserung voraus. Bedingung zur Vergebung ist also, daß der Lernprozeß, der durch eine Strafe normalerweise in Gang gesetzt werden soll, bereits vollzogen ist. In diesem Fall ist die Strafe überflüssig geworden. Ihr Vollzug wäre nur noch Rache. In diesem Sinne spricht der evangelische Geistliche nach der Beichte, in der die Verfehlungen bekannt, bedauert und in der Besserung gelobt ist, in der Absolution die Worte: Auf dieses euer Bekenntnis hin verkündige ich allen, die ihre Sünde herzlich bereuen, an Jesus Christus wahrhaftig glauben und den ernstlichen Vorsatz haben, ihr Leben zu bessern, die Gnade Gottes und die Vergebung ihrer Sünden. 11 H. Engelhard, Einführung in das Strafrecht, Adolf Rausch Verlag, Heidelberg 1946, S. 23.

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