Ist unser Schicksal festgelegt?

- 2- 1.0 KAUSALITÄT 1.1 Kausalität innerhalb der Physik Die Aufgabe der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, ist nicht nur die Feststellung der bloßen Tatsachen in unserer Welt, sondern vor allem ihre sinnvolle Verknüpfung miteinander. Die gegenseitige Bedingtheit und Abhängigkeit wird aufgezeigt, d. h. zwischen den Zuständen desselben Gebildes wird zu verschiedenen Zeiten ein eindeutiger funktionaler Zusammenhang festgestellt. Man faßt dabei die Geschehnisse als im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinanderstehend auf. Dabei liegt die Ursache zeitlich früher, die Wirkung zeitlich später. Ein Geschehen bedeutet, daß sich etwas ändert, und ändern kann sich nur etwas, wenn eine physikalische Größe vorhanden ist und abläuft, die wir Zeit nennen. Dabei ist die Zeit, wie z.B. auch die Länge, eine sogenannte physikalische Grundgröße, die nicht auf Einfacheres zurückgeführt werden kann und damit auch keiner Erklärung zugänglich ist, Erklärung im Sinne der Zurückführung auf Einfacheres. Zeiten können, wie auch andere physikalische Grundgrößen, nur gemessen werden, d.h. mit Normzeiten verglichen werden. Die Auffindung eines eindeutigen funktionalen Zusammenhanges, einer eindeutigen Abhängigkeit zwischen den verschiedenen Zuständen eines Geschehens (zunächst der unbelebten Natur) und die Aufstellung der Begriffe "Ursache" und "Wirkung" führen zu der Folgerung und Behauptung, daß gleiche Ursachen stets gleiche Wirkungen haben und daß umgekehrt gleichen Wirkungen auch gleiche Ursachen zugrunde liegen. Diese Erfahrungstatsache wird Kausalitätsprinzip oder Kausalgesetz genannt. Das Kausalgesetz ist die Voraussetzung für die Möglichkeit einer Naturforschung überhaupt. Ohne dieses wären auch einfache Schlüsse nicht möglich. Man kann das Kausalgesetz auch so aussprechen: Sind in irgendeinem Augenblick sämtliche Zustandsgrößen aller an einem Naturvorgang beteiligten Dinge bekannt, so ist es grundsätzlich möglich, sowohl seinen weiteren, als auch seinen vorhergehenden Verlauf in allen Einzelheiten im voraus oder für die Vergangenheit zu berechnen. Vorauszusagen, was künftig unter bestimmten Bedingungen geschehen wird, ist aber die wesentlichste Aufgabe der Physik. An Stelle des Begriffes "Kausalitätsprinzip" wird oft auch der Begriff "Determinismus" verwendet. Man sagt dann, daß bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen die Zukunft durch die Vergangenheit determiniert ist wie auch umgekehrt. Diese Umkehrung, daß also die Zukunft oder auch Gegenwart die Vergangenheit determiniert, läßt man bei dem Begriffspaar Ursache und Wirkung, zumindest im Sprachgebrauch des täglichen Lebens, meist nicht zu. Man hat dabei die verschwommene Vorstellung, daß eine Ursache irgendeine an sich daseiende "Kraft" sei, welche die Fähigkeit besitzt, etwas zu bewirken, wobei das "Bewirken" im Ablauf der Zeit stattfindet. Dabei hat man sich an die Konvention gewöhnt, daß die Wirkung zeitlich nach der Ursache kommt und nicht umgekehrt. Dieses so äußerst wichtige und in seinen Konsequenzen weittragende Kausalitätsprinzip gilt in der sogenannten Makrophysik, also in dem Bereich der Physik, in dem an den Vorgängen eine Vielzahl von Molekülen und Atomen beteiligt ist. Ganz besonders trifft dies für die klassische Mechanik und insbesondere auch für die Himmelsmechanik zu. Aber auch hier gibt es schon eine Einschränkung. Die zeitliche Länge, für die eine berechnete Voraussage zutrifft, hängt davon ab, wie genau man die Anfangsbedingungen kannte, die man der Rechnung zugrunde legte. Da es jedoch prinzipiell unmöglich ist, den Ausgangszustand eines abgeschlossenen physikalischen Systems mit beliebiger oder gar absoluter Genauigkeit festzustellen, kann man auch über das Schicksal des Systems in sehr fernen Zeiten nichts Absolutes aussagen. Die absolute Determiniertheit makrophysikalischer Systeme ist daher als ein Idealzustand anzusehen, der in der Praxis in den beobachtbaren Zeiträumen zwar meist mit guter Annäherung festgestellt werden kann (z. B. in der Astronomie), der aber tatsächlich nicht besteht.

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