Ist unser Schicksal festgelegt?

- 4- 1.2. Kausalität außerhalb der Physik Man hat es nun immer versucht, und jeder Mensch versucht es täglich, das Kausalitätsprinzip auch außerhalb der Physik anzuwenden. Das gelingt nicht immer sehr vollkommen, weil der Anfangszustand, der ja den in der Zukunft liegenden Endzustand determinieren soll, nicht immer mit genügender Genauigkeit bekannt ist. Aber prinzipiell, so meinen manche Autoren, soll der jetzige Zustand auch die fernere Zukunft in jeder Einzelheit zwangsläufig vorausbestimmen. Nach ihnen gibt es auch in der Welt des menschlichen Geistes, im Fühlen, Wollen, Denken und Handeln des Menschen überall einen strengen Kausalzusammenhang, so daß jedes Erlebnis, jeder Gedanke und jeder Willensakt durch vorhergehende Umstände und Ereignisse vollständig bedingt sind. Diese Schlußfolgerung sehen sie dadurch als gerechtfertigt an, daß ja auch im menschlichen Körper und im Gehirn letztendlich physikalische Prozesse ablaufen. Wenn diese aber determiniert sind, so meinen sie, müssen auch die geistigen Vorgänge determiniert sein. Wenn aber Kausalität vorliegt, so wird gefolgert, kann keine Willensfreiheit mehr vorliegen. Dann ist auch das menschliche und zwischenmenschliche Geschehen bis in alle Ewigkeit festgelegt. Dann gibt es auch, so wird gefolgert, für den einzelnen Menschen keine Verantwortlichkeit und keine Schuld. Man ist ja gar nicht im Stande, etwas durch den eigenen Willen und die eigene Entscheidung zu beeinflussen und zu steuern. Alles läuft zwangsläufig ab. In der Parapsychologie könnte man dann sogar versuchen, die festgelegte Zukunft durch Präkognition, so weit wie möglich, zu erfassen. Da es aber Präkognition gibt, die über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte reicht, könnte man das sogar als Stütze der Auffassung einer Determiniertheit allen Geschehens ansehen. Es ist verständlich, wenn es anderen Autoren bei diesen Vorstellungen unheimlich zu Mute wird. Sie meinen, eine Willensfreiheit feststellen zu können und verweisen auf die tägliche Erfahrung, denken und weitgehend handeln zu können, wie sie wollen. Als Beweis dafür sehen sie an, daß sie jederzeit auch etwas Ungewöhnliches tun oder einen Entschluß ändern können. Das sehen sie aber als unvereinbar mit einem dem Kausalitätsgesetz unterworfenen physikalischen Ablauf der Gehirnvorgänge an. Der abseitsstehende Beobachter hat oft den Eindruck, als ob für die Funktion des menschlichen Geistes und seine Willensfreiheit unausgesprochen eine Art transzendente Überwirklichkeit in Anspruch genommen wird. Ein wenig kommt dies auch in den Äußerungen des amerikanischen Parapsychologen Professor Rhine3 zum Ausdruck. Er schreibt: "Unsere Kultur zum Beispiel setzt voraus, daß der Geist sich von dem physischen Körper hinreichend unterscheidet, um die Annahme eines 'freien Willens' zu ermöglichen. Eine solche Freiheit der Willensäußerung bedeutet, daß der Geist seine eigenen Gesetze hat und daß daher die Gesetze des Körpers und der Umgebung ihn nicht oder wenigstens nicht völlig beherrschen. Sie lassen ihm eine gewisse Freiheit von der physischen Bestimmtheit, eine gewisse Unabhängigkeit des Handelns. Die physische Auffassung der Persönlichkeit auf der anderen Seite unterwirft jede Handlung physischen Gesetzen und läßt für die Freiheit keinen Platz. Ein und dasselbe Kausalitätssystem, ein und dieselbe Art von Gesetzen gelten sowohl für das Reich des Geistes wie für das des Körpers. Daher ist die Frage, ob der Geist lediglich eine physische Funktion des Gehirns ist oder nicht, für uns und für die menschliche Gesellschaft ganz allgemein von entscheidender Bedeutung. Denn: • Ohne die Freiheit einer Wahl würden unsere Gesellschafts-Philosophien zusammenbrechen. • Ohne ein freies Wollen kann es keine Sittenlehre, keine wahre Demokratie, ja nicht einmal eine Wissenschaft als freie Forschung geben. Wenn das geistige Leben ganz und gar ein Produkt der Gehirnphysik ist, dann scheint der Mensch bei nichts, was er auch tun mag, der physikalischen Gesetzmäßigkeit entrinnen zu können. Dann ist die Freiheit nur ein Phantasiegebilde und eine physikalischen Gesetzen unterworfene Ethik nichts anderes als ein leerer Wahn".4 3 J. B. Rhine, ehem. Direktor des parapsychologischen Instituts der Duke Universität, Durham, North Carolina, USA. 4 J. B. Rhine, Die Reichweite des menschlichen Geistes, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1950, S. 20.

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