Ist unser Schicksal festgelegt?

- 5- 2.0 GEIST UND INFORMATIONSVERARBEITUNG Die bisher vorgetragenen Gesichtspunkte sollen im folgenden etwas näher unter dem Aspekt untersucht werden, daß der menschliche Geist ein informationsverarbeitendes System ist.5 Für den Menschen ist das geistige Leben ausschlaggebend, während die biologischen Funktionen wie Stoffwechsel, Wachstum, Fortpflanzung und Vererbung nur Hilfsfunktionen ausüben, d. h. das geistige Leben ermöglichen. Volkstümlich kann man das geistige Leben so umschreiben: Es besteht aus dem Bewußtsein (dem Ich-Bewußtsein), dem Denken und der Möglichkeit, gemäß dem Denken nach einer Willensentscheidung zu handeln, der Möglichkeit, vermittels der Sinnesorgane Erfahrungen zu sammeln und zu lernen, dem Ansammeln von Erinnerungen und der Möglichkeit, diese Erinnerungen bei Vorgängen des logischen Denkens und der Auslösung von Gemütsbewegungen beliebig zu verwenden und den Gemütsbewegungen selbst, wobei die Freude eine besonders gewichtige Rolle spielt. Aus physikalischer und kybernetischer Sicht besteht das geistige Leben in der Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen, d. h. Signalen, die durch physikalische Energie übertragen werden und zu Reizungen im lebendigen Organismus führen. Was bedeutet in diesem Zusammenhang nun Wille, Entscheidung, Freiheit, denken und handeln? Wir wollen uns bei diesen Überlegungen nur auf die bewußten Vorgänge beschränken, bei denen also alle verwendeten und auch neu gewonnenen Informationen dem jederzeitigen Zugriff und der jederzeitigen Verwendbarkeit zur Verfügung stehen, was bei unbewußten oder unterbewußten Vorgängen nicht der Fall ist. Unter einer Handlung wollen wir im folgenden den Vorgang der aktiven physikalischen Bewegung des menschlichen Körpers oder eines Teiles davon oder den Akt der Informationsabgabe oder Informationsaufnahme verstehen. Beide Vorgänge können miteinander gekoppelt sein. Also: Gehen oder Sprechen sind in diesem Sinne Handlungen. Biologie und Kybernetik haben nun gezeigt, daß die Voraussetzung jeder Handlung eine entsprechende Informationsverarbeitung im Zentralnervensystem des Körpers, also im menschlichen Geist, ist. Diese Informationsverarbeitungsprozesse werden im täglichen Leben z. B. mit den Worten: "denken", "entscheiden", "wollen" bezeichnet. Denken bedeutet, daß die vorhandenen Informationen probeweise miteinander verknüpft werden, daß mögliche Verbindungen und ihre Resultate samt den wahrscheinlichen Auswirkungen durchprobiert werden. Entscheiden heißt, daß der Prozeß mit den günstigsten Resultaten und Auswirkungen ausgewählt wird, und wollen heißt, daß beabsichtigt ist, die Entscheidung in eine Handlung umzusetzen. Eine Entscheidung als Voraussetzung zum Handeln kann aber vom menschlichen Geist nur getroffen werden, wenn vorher ausreichende Informationen aufgenommen worden sind, die dann bei der Entscheidung verarbeitet werden. Die notwendigen Informationen sind entweder durch die Erbanlagen (Gene) dem Körper zugeführt worden oder werden durch die Sinnesorgane aufgenommen und gegebenenfalls durch Lernprozesse aufgearbeitet. Einen Teil der durch Erbanlagen übernommenen Informationen nennt man Instinkte und Triebe. Ihr Informationsgehalt kann bei Entscheidungsprozessen, die einer Handlung vorangehen, von besonderem Gewicht sein, so z. B. deswegen, weil die Handlung durch parallellaufende Informationsaufnahme zu Lustgefühlen führt. Das ist bei Handlungen infolge des Geltungstriebes, Sexualtriebes, des Triebes zur Nahrungsaufnahme usw. der Fall. Jeder Vorgang, den wir mit "denken", "wollen", "entscheiden" oder gar "handeln" bezeichnen, wird durch eine spezielle Informationsaufnahme vor Beginn des Vorganges ausgelöst, der aber eine erhebliche Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung einschließlich entsprechender Lernprozesse zu früheren Zeiten vorangegangen sein müssen. 5 H. Grünewald, Schaltplan des Geistes, Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1971; F. Marfeld, Kybernetik des Gehirns, Safari-Verlag Berlin 1970; P. Glees, Das menschliche Gehirn, Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1971.

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