Ist unser Schicksal festgelegt?

- 7- Man spricht dann von einer sogenannten Konfliktsituation. Sie kann dazu führen, daß im günstigsten Fall die Entscheidung gemäß einem der beiden entgegengesetzten Motive erfolgt oder aber, daß das Individuum (Mensch oder Tier) etwas Sinnloses tut oder in Wut gerät oder in Lethargie versinkt oder dergleichen mehr. Das informationsverarbeitende System des Menschen, sein Gehirn, ist hier überfordert worden. Sein Vorrat an Verknüpfungen, logischen Schaltungen und Programmen hat nicht ausgereicht, um eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. Die Konfliktsituationen sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Situationen, in denen echtes Zufallsgeschehen einsetzt im Sinne einer Akausalität, wie wir sie aus der Mikrophysik kennen. Hier liegt die Entscheidung im wahrsten Sinne auf des Messers Schneide. Ein mikrophysikalischer Vorgang, beispielsweise die thermische Bewegung eines oder weniger Elektronen und damit die Entstehung einer geringen elektrischen Spannung, kann möglicherweise in dem bestehenden labilen physikalischen Gleichgewicht eine der geschilderten Verhaltensweisen auslösen. Allerdings kennt man zur Zeit noch keine Einzelheiten der hier aufgezeigten und vermuteten Vorgänge und hat demzufolge auch keine strengen Beweise dafür, doch ist es heute durchaus durchführbar, ein derartiges Verhalten in künstlichen, d. h. vom Menschen hergestellten elektronischen Datenverarbeitungssystemen nachzubilden. Konfliktsituationen treten im menschlichen Leben häufiger auf, als man gewöhnlich annimmt, sei es im Alltag beim Einkauf gegenüber den Verlockungen eines überreichen Warenangebotes, sei es in der Politik, wo Geltungsdrang und Vernunft in einem Politiker einander entgegenwirken. Auf jeden Fall muß man damit rechnen, daß akausales Geschehen bei Konfliktsituationen einen großen Einfluß auf das Leben des einzelnen Menschen wie der Gemeinschaft hat. 2.2 Willensfreiheit Aus den Erkenntnissen, die uns bisher Physik, Biologie, Anatomie und Kybernetik geliefert haben, können wir den Schluß ziehen, daß die Willensfreiheit bei einem gesunden Menschen (d. h. mit ordnungsgemäß funktionierendem Informationsverarbeitungssystem) darin besteht, daß er die Möglichkeit hat, aus den ihm vorliegenden (d. h. in seine Speicher übernommenen) Informationen nach Informationsverarbeitung durch logische Operationen7 eine Entscheidung zu fällen, die er anschließend in eine Handlung umzusetzen versucht. Alle diese Vorgänge sind letztendlich physikalischer Natur und können heute schon zum Teil, später vielleicht einmal vollständiger, meßtechnisch verfolgt werden. Unter Willensfreiheit wird hier also nicht etwas außerhalb der Naturgesetze Stehendes, etwas undefiniert Überirdisches oder mystisch Verschwommenes verstanden, sondern etwas, das der Untersuchung, der messenden Erfahrung und der analytischen Zergliederung zugänglich ist, etwas, das nach festen Gesetzen abläuft. Wir müssen daher heute bereits die Frage- und Problemstellung ändern. Sie lautet nicht mehr: Liegt Willensfreiheit (oder Entscheidungsfreiheit) vor, was bedeutet, daß man (in gewissen Grenzen) tun und lassen kann, was man will oder liegt Kausalität, Determinierung und aufgehobene Willensfreiheit vor, was bedeutet, daß alle Handlungen und Gedanken durch äußere Zwänge bedingt sind und das eigene Ich ausgeschaltet ist. Bei dieser Fragestellung werden nämlich die Begriffe Wille, Freiheit und Ich in völlig verschwommener und undefinierter Weise verwendet. Man hat den Eindruck, als ob das Wort Freiheit mit einer Art Zufallsgenerator gleichgesetzt wird. Wir müssen heute sagen: Das eigene Ich ist das informationsverarbeitende System des Menschen, lokalisiert im Zentralnervensystem. Entscheiden und wollen kann dieses System erst dann etwas, wenn ihm von außen Informationen (Signale oder Reize) zugeflossen sind. Die Entscheidung erfolgt erst nach entsprechender Informationsverarbeitung und gemäß Kriterien, die dem informationsverarbeitenden System Mensch eingepflanzt sind, entsprechend seiner inneren "Verdrahtung", seinen eingespeicherten Programmen usw. Diese Prozesse verlaufen überwiegend (abgesehen von den Konfliktsituationen) nach den kausalen Gesetzen der Makrophysik. 7 Immer im Sinne der Rechenmaschinentechnik.

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