Ist unser Schicksal festgelegt?

- 9- Die These, daß in Bezug auf Willensfreiheit nicht ein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied zwischen dem Menschen und anderen Lebewesen besteht, findet auch darin ihre Stütze, daß der Mensch im Verlaufe der Evolution, also einer sehr langen Entwicklung, aus tierischen Lebewesen entstanden ist. Die Festlegung, ab wann die Vorfahren der heutigen Menschen auch schon als Menschen anzusprechen sind, etwa nach Verwendung des Feuers, ist absolut willkürlich. Ebenso willkürlich wäre es zu sagen, ab jener Generation besaßen die Lebewesen Willensfreiheit und bis zur vorhergehenden noch nicht. Auch hier ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung ohne nennenswerten Sprung anzunehmen. 2.3 Vorherbestimmung des menschlichen Verhaltens? Die bisherigen Darlegungen über die Willensfreiheit lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Ein großer Teil der menschlichen Entscheidungsprozesse läuft sicherlich nach den kausalen Prinzipien der Physik ab. Ein Teil derartiger Entscheidungsprozesse läßt sich auch in heutigen elektronischen Rechenanlagen verwirklichen, und sie verlaufen dort gleichfalls physikalisch streng kausal. Aber zu dieser Gruppe der kausal verlaufenden Willensentscheidungen kommen beim Menschen noch die Entscheidungsprozesse, die aus Konfliktsituationen resultieren. Hier finden das Kausalitätsprinzip und die Determinierung ihre Grenzen. Es setzt Zufallsgeschehen ein, das eine Vorhersage des menschlichen Verhaltens unmöglich macht. Auch Berichte aus der Parapsychologie, über die später noch gesprochen werden soll, lassen keinen Schluß auf absolute Festlegung menschlichen Schicksals bis in fernste Zeiten zu. 2.4 Ethische Beurteilung Zunächst soll noch ein zweites Problem beleuchtet werden. Wenn, wie hier dargelegt wurde, die Willensfreiheit darin besteht, daß im menschlichen Geist Informationsverarbeitungsprozesse nach physikalischen Gesetzen ablaufen, so ist die Frage sehr naheliegend, ob nicht Begriffe wie Schuld, Verantwortung, Strafe usw. sinnlos und überflüssig werden oder mit einem anderen Sinn versehen werden müssen. Die Begriffe Schuld und Verantwortung werden ja meist mit einem ethischen und moralischen Sinn versehen. Viele werden es aber zunächst nicht einzusehen vermögen, daß möglicherweise Verbindungen zwischen Physik und Informationsverarbeitung einerseits und Ethik und Moral andererseits bestehen können. 2.4.1 Sinn der Strafe Doch befassen wir uns zunächst mit dem Begriff Strafe. Wenn wir alle Lebensvorgänge auf unserer Erde beobachten, so können wir das Bestreben aller lebenden Individuen feststellen, das Leben zu erhalten bzw. fortzuführen. Auch jede Gattung und jede Art hat dieses Bestreben und führt darum einen Kampf, den Kampf um das Dasein, der zumeist auf Kosten anderer geht. Sehr vereinfachend dargestellt heißt das, der Stärkere frißt den Schwächeren. Damit dieser Kampf aber nicht ins Uferlose geht und schließlich zur Auslöschung jeglichen Lebens führt, haben gleichgeartete Lebewesen Verhaltensweisen unter sich entwickelt, oder ein Schöpfer hat sie ihnen eingegeben, die dazu führen, daß das gleichgeartete Lebewesen geschont oder sogar gefördert wird. Dadurch werden die Überlebenschancen im Kampf ums Dasein für die ganze Art erhöht und erhöhen sich damit letztendlich auch für das einzelne Individuum.

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