Psychowissenschaftliche Grenzgebiete

 
Titel: Der große Ruf an unsere Zeit
Datum: März 2004
Entnommen aus: Wegbegleiter, März 2004 VIII. Jahrgang, Unabhängige Zeitschrift zur Wiederbesinnung auf das Wesentliche.
Verlag Martin Weber, Fabrikstraße 1, D-77746 Schutterwald
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Der große Ruf an unsere Zeit
von Dr. Rudolf Schwarz

Einleitung

Alle hundert Jahre höchstens einmal ergeht ein großer Ruf an die Menschheit, sich zu besinnen und einen anderen Weg einzuschlagen als den, der seit Jahrtausenden immer nur zu Not, Krieg, Mord, Elend, Blut und Tränen geführt hat. Der letzte große Ruf dieser Art erscholl vor nunmehr 103 Jahren, am 31. März 1848, der als Geburtstag des Spiritismus gilt. Die Welt sähe ganz anders aus, wenn dieser Ruf 100 Jahre früher erschollen wäre. Aber es ist trotz allem Vergangenen auch heute noch nicht zu spät, auf ihn zu horchen. Es gehört nur guter Wille dazu.

Es ist eine uralte geschichtliche Erfahrung, daß mit jedem neuen Übel auch das Heilmittel geboren wird.

So wurde auch der Spiritismus in der Frühzeit des Materialismus geboren als bestes und wirksamstes Gegenmittel gegen ihn. Wer den Spiritismus nur vom Hörensagen, nur aus seiner längst vergangenen Frühzeit, nur aus billigen und gehässigen Glossen der Tagespresse kennt, hat auch noch nicht einen Hauch dessen verspürt, was Spiritismus überhaupt ist.

Der Spiritismus hat sich den Nachweis einer vom materiellen Leibe unabhängigen und unsterblichen Seele, das persönliche Überleben des Todes und den Verkehr mit Menschen zum Ziele gesetzt, die einst wie wir auf der Erde lebten, inzwischen aber durch das Tor, das wir Tod nennen, in die Welt des Jenseits gegangen sind.

Das sind gewiß alles Dinge, die jedem einzelnen, der nicht blind in den Tag hineinlebt, sondern sich über den Sinn des Lebens Gedanken macht, von höchster Wichtigkeit sind.

 

Aufgabe der Parapsychologie

Die heutige Parapsychologie hat vorläufig mit dem Spiritismus wenig zu tun. Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, nach der deduktiven (-1-) Methode mühsam alles das zu untersuchen, was der Spiritismus nach der induktiven Methode schon längst gefunden hat und als gesicherten Bestand seiner Wissenschaft betrachtet. - Aber es braucht Zeit.

Wer die neuesten Forschungen und Spekulationen etwa eines Prof. Rhine von der Duke University, USA, kennt, wird den Eindruck gewinnen, daß die Scheidewand zwischen Spiritismus und Parapsychologie eine sehr dünne geworden ist. Es werden Spukfälle untersucht. Der Mediumismus wird nicht mehr wie früher als Hysterie oder Geisteskrankheit betrachtet, die Telepathie und Telekinese nicht mehr als Täuschung und Betrug, sondern als wissenschaftliche Tatsachen.

Den eigentlichen Spiritualisten interessieren diese Dinge aber im Grunde nicht mehr. Das Standardwerk von Dr. Emil Mattiesen, "Das persönliche Überleben des Todes" (Berlin 1936-39), gilt ihm als Endstein der wissenschaftlichen, paraphysischen und parapsychologischen Forschung des Übersinnlichen.

Während einst die "tanzenden Tische" und die "Materialisationen" als Sensationen galten und die Gemüter für und wider erhitzten, sind sie heute in die stillen Stuben sachlicher Untersuchung verschwunden. Sie haben nur noch eine Berechtigung in den Händen erfahrener Forscher, der Neugierige und Laie sollte seine Hände davon lassen.

Die größte Überraschung für jeden Neuling wird stets sein, daß die physikalischen Phänomene des Spiritismus, also die Telekinese (Fernbewegung von Gegenständen), die Apporte, die Levitation, die Materialisationen usw., so unbegreiflich und wunderbar sie scheinen, für sich allein noch nicht die Unabhängigkeit und Unsterblichkeit und das Fortleben nach dem Tode beweisen. Sie können samt und sonders auch animistisch erklärt werden.

Der eigentliche Beweis kam erst durch die mentalen Beobachtungen (-2-)

Das heißt folgendes: Die "Geister" sind nicht stumme Schemen und leblose Beobachtungsobjekte, sondern lebende, intelligente Wesen wie wir. Sie können über sich, über die Welt, in der sie leben, wie auch über philosophische und religiöse Fragen vernünftige Mitteilungen machen. Sie können damit also zunächst ihre eigene Identität nachweisen, indem sie Dinge mitteilen, von denen weder das Medium, noch einer der sonst Anwesenden, ja zuweilen überhaupt kein Mensch sonst auf der Erde etwas weiß, was dann aber nachher als zutreffend bestätigt werden kann.

Haben die "Geister" damit ihre Identität bewiesen, so besteht kein Grund, ihren übrigen, nicht ohne weiteres nachprüfbaren Mitteilungen über das Jenseits keinen Glauben zu schenken.

Hier ist es Aufgabe der vergleichenden Medienforschung, solche gegenseitigen Bestätigungen wie auch Abweichungen zu sammeln und auszuwerten, als Beweis für die Realität der jenseitigen Welt und den Wahrheitsgehalt der Geistermitteilungen.

Der letzte Schritt auf diesem Wege wird dann der sein, aus den philosophischen und religiösen Geistermitteilungen für unser Erdenleben die praktischen Folgerungen zu ziehen. Und dies ist überhaupt der eigentliche Sinn des Spiritismus, nicht das Tischrücken, nicht die Materialisationen, nicht die Identitätsbeweise. Über diese Frage werden wir daher gleich noch nähere Betrachtungen anstellen.

 

Umdenken nötig

Ich könnte mir vorstellen, daß jeder denkende Mensch äußerst interessiert sein müßte zu erfahren, wie es den Geistern im Jenseits weiter ergeht und was sie über uns und ihre eigene Vergangenheit hier auf der Erde denken. Mir ging es wenigstens so. Es geht doch um Tatsachen.

Es gibt schon auf der Erde nichts Peinlicheres und Ärgerlicheres, als verpaßte Gelegenheiten und vergebliche Mühen. Man denke an einen Erfinder, der sich Jahre um eine Sache müht und dann erfahren muß, daß ein anderer ihm zuvorkam. Oder an einen Schatzgräber, der im Schweiße seines Angesichts einen Stollen gräbt und dann feststellt, daß der vermeintliche Schatz aus ein paar alten Knochen besteht. So geht es aber jedem, der entweder sein Leben einem der üblichen materiellen Ziele unterordnet: Geldgewinn, Ehre, Ruhm, Vergnügen - oder aber - der sich ein von der Wirklichkeit abweichendes Bild vom Jenseits macht. Es ist nun einmal ganz anders, als die Mehrheit der Menschen es sich vorstellt, und der Eintritt ins Jenseits bietet ihr eine überaus peinliche Überraschung!

Hat nicht jeder von uns schon einmal in bestimmten Lagen, z. B. im Kriege, in Bombennächten, nach dem Zusammenbruch, in einer schweren Krankheit, nach einem Todesfall, bei einem Konkurs das Gefühl gehabt: Alles, was du getan, was du gehofft, an was du dich gefreut hast, war nutzlos, und wird auch in Zukunft wohl nutzlos sein. – Dieses Gefühl müßte aber eigentlich jeder haben, der die geistigen Tatsachen nicht kennt.

Würde dieses Bewußtsein die ganze Menschheit erfassen: Es wäre nicht auszudenken, was sich alles ändern würde. Die Menschen würden sich die Beine abrennen, ihre Zwistigkeiten zu schlichten, Bedürftigen zu helfen, Not zu lindern, Krankheiten zu heilen, wie sie sich heute die Beine abrennen, Geld zu verdienen, zusammenzuraffen, für den Krieg zu rüsten, schöne Kleider zur Schau zu tragen, oder Vergnügungen auszukosten. Dann wäre der große Ruf an unsere Zeit gehört worden, und wir würden einer goldenen Zeit, einem Paradies schon auf Erden entgegengehen.

Doch so weit sind wir selbstverständlich noch lange nicht. Es ist schon viel damit gewonnen, wenn hie und da einer den Ruf hört und für sich forscht nach den wahren Tatsachen der geistigen Welt. Er gewinnt für sich damit das Diesseits und das Jenseits. Er hat die Sicherheit, nicht vergeblich auf der Erde gelebt zu haben. Und das ist schon etwas. Solche Menschen wirken wie Samenkörner, wie Hefe und Salz im Teig. Wenn ein Faust sagte: "Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an", so ist das ein verständliches Gefühl, das jeder von uns auch hat, der die heutige Lage ansieht. Aber dabei darf man nicht stehenbleiben.

Nur wer sich ändert, ändert die Welt.

Wer nur andere ändern will, vergeudet seine Zeit.

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