Das Buch der Geister

- 173 - Frage: (1114) Ist die Dauer der künftigen Leiden Schuldiger eine willkürliche, oder ist sie an irgendein Gesetz gebunden? Antwort: Gott tut nichts aus Laune. Alles in der Welt wird von Gesetzen regiert, die Seine Weisheit und Güte offenbaren. Frage: (1115) Worauf gründet sich die Länge der Leiden Schuldiger? Antwort: Da Zustände des Leidens und Glückes im Verhältnis zur Reinheit des Geistes stehen, hängt Dauer und Wesen seiner Leiden von der Zeit ab, die er braucht, um sich zu bessern. Frage: (1116) Erscheint dem leidenden Geist die Zeit ebensolang oder kürzer als zu seinen Leb- zeiten? Antwort: Sie erscheint ihm eher länger, denn der Schlaf existiert nicht für ihn. Erst für die zu einem gewissen Grade von Reinheit gelangten Geister verschwindet die Zeit sozusagen vor der Ewigkeit. Frage: (1117) Können die Leiden des Geistes ewig dauern? Antwort: Gewiß litte er ewig, wenn er ewig böse bliebe. Aber Gott schuf nicht Wesen, damit sie auf ewig dem Bösen anhangen, er schuf sie nur einfach und unwissend, und alle sollen fort- schreiten, in kürzerer oder längerer Zeit ihr Ziel zu erreichen, je nach ihrem Wollen. Der Wille kann mehr oder weniger verzögert eintreten, so wie es mehr oder weniger frühreife Kinder gibt, aber er kommt bestimmt einmal vermöge des unwiderstehlichen Dranges des Geistes, aus seiner Niedrigkeit herauszutreten. Frage: (1118) Gibt es Geister, die nie bereuen? Antwort: Es gibt welche, deren Reue sehr spät eintritt, aber behaupten, daß sie sich nie bessern, hieße das Gesetz des Fortschritts leugnen und sagen, ein Kind könne nie ein Erwachsener werden. Frage: (1119) Hängt die Dauer der Leiden stets vom Willen des Geistes ab? Gibt es nicht solche, die ihm für bestimmte Zeit auferlegt werden? Antwort: Ja, Strafen und Leiden können ihm für eine gewisse Zeit auferlegt werden, aber Gott, der nur das Beste Seiner Geschöpfe will, nimmt stets die Reue an. Die Sehnsucht, besser zu werden, ist nie unfruchtbar. Frage: (1120) Demnach werden die Leiden nie für die Ewigkeit verhängt? Antwort: Fragt eure Vernunft und euren gesunden Sinn, und bedenkt, ob eine ewige Verdammnis für einige Augenblicke der Verirrung nicht ein Leugnen der Güte Gottes wäre? Kann es eine erhabenere Vereinigung von Gerechtigkeit und Güte geben, als die Länge der Leiden von den Bemühungen des Schuldigen, sich zu bessern, abhängig zu machen? Hier erfüllt sich die Wahrheit des Wortes: "Einem jeden nach seinen Werken." Bemüht euch mit allen Mitteln, die in eurer Macht liegen, den Gedanken an die Ewigkeit der Höllenstrafen zu bekämpfen, diesen Lästergedanken gegen Gottes Gerechtigkeit und Güte. Wenn Christus nach den Evangelien selbst - und wenn man seine sinnbildlichen Worte buchstäblich nähme - die Schuldigen mit dem nicht verlöschenden Feuer, mit dem ewigen Feuer bedrohte, so liegt doch absolut nichts in seinen Worten, das bewiese, er habe sie auf ewig verdammt. Die Ewigkeit der Strafen ist also eine relative, eine sozusagen ver- hältnismäßige und nicht bedingte, aber keine absolute. Möge der Tag kommen, wo alle Menschen, vermöge ihrer Reue, sich mit dem Gewande der Unschuld bekleiden, und von dem Tage an wird es kein Heulen und Zähneklappern mehr geben. Stellt hinfort nicht mehr als ewig nebeneinander das Gute, das Wesen des Schöpfers, und das Böse, das Wesen des Geschöpfes. Behauptet vielmehr die stufenweise

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