Der Einfluss der Trauer auf Verstorbene

- 11 - Ich stand einen Augenblick ganz ratlos und unschlüssig. Da erhellte sich plötzlich ein kleiner Teil des Firmamentes in der Gegend, wo der Weg hinführte. Ein Lichtschein wurde heller und immer heller, gerade als ob die Sonne an einem recht nebeligen Morgen sich durch Dunst und Wolken kämpft. - Ich weiß nicht, bin ich dem Lichtschein entgegengegangen oder kam er mir entgegen? - Plötzlich ist es um mich herum hellichter Tag geworden, und ich stand zu meiner größten Überraschung unter einer Schar von Bekannten, die mich alle aufs herzlichste begrüßten! Es waren alle meine Lieben, die mir vorangegangen waren; meine Eltern, Geschwister, meine beiden Gatten - ein unendliches Glücksgefühl hatte sich meiner bemächtigt, eine nie gekannte Ruhe und Heiterkeit. Sie umringten mich jubelnd, und in ihrer Mitte schritt ich vorwärts, einem unsichtbaren Ziele zu. Da erschütterten mich plötzlich heftige Stöße, ich wankte, man fing mich in den Armen auf, und bedauerlich hörte ich einige bekannte Stimmen sagen: 'Also ist sie heute nur auf Besuch zu uns gekommen? Und bleibt noch nicht bei uns? - Wann kommt sie ganz zu uns?' - Dann schwanden mir die Sinne, ich verspürte wieder die schaukelnde, fallende Bewegung; es schlugen verworrene Stimmen an mein Ohr. Man rief mich - mühsam öffnete ich die Augen, ich lag im Bett, meine Kinder schrien durcheinander: 'Sie lebt! Sie lebt wieder!'- Ich war ja froh, daß ich meinen Kindern wiedergegeben wurde. Aber wenn ich allein war, überkam mich stets eine unendliche Sehnsucht nach jener Gegend, gleichsam, als hätte ich dort meine Heimat. Und in späteren Jahren erst recht, als mich ein Kind nach dem anderen verließ. Und ich warte mit Ungeduld auf den Tag, da ich ihnen folgen darf. Leider läßt er so lange auf sich warten." Wenn nun ein Aug im Tode bricht Elisabeth Clüver 1842 – 1884 Wenn nun ein Aug im Tode bricht, der Geist verläßt die Hülle, ein Mensch hält da den andern nicht, es ist des Höchsten Wille. Da fühlt man sich so arm und klein und weiß, daß dieses Leben, mag's noch so reich und glücklich sein, kann keinen Frieden geben. Da sieht man erst am Himmelsthron da wohnt der sel'ge Frieden, und ist ein Leben hier entfloh'n ist dort ihm Heil beschieden. Da nimmt es Gott zu sich hinauf in seine Vaterarme, daß es nach bitterm Lebenslauf an Seiner Lieb erwarme.

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