Der Einfluss der Trauer auf Verstorbene

- 12 - 9. Der Selbstmord einer trauernden Mutter In dem folgenden Fall ist eine trauernde Mutter nicht durch ein gütiges Geschick vor dem Selbstmord bewahrt geblieben. Sie hat ihn sofort nach dem Tode ihres Sohnes vollzogen. Die Begebenheit wird uns von Allan Kardec (1804-1869) geschildert. Er arbeitete ab 1856 mit dem französischen Medium Madame Japhet (Pseudonym für Célina Bequet) und anschließend mit einem Monsieur Roze als Medium zusammen. Mit diesem hatte er 1865 eine Sitzung, in welcher der verstorbene Sohn und seine Mutter sich ihm als Fragesteller F. gegenüber mitteilen. Kardec berichtet (4, S. 327): "Im Monat März 1865 hatte Herr C., Kaufmann in einem Städtchen bei Paris, bei sich zu Hause seinen 21jährigen Sohn, der schwer krank war. Als dieser junge Mann fühlte, daß es bei ihm ans Sterben gehe, rief er seine Mutter und hatte noch so viel Kraft, daß er sie umarmen konnte. Diese sprach unter heftigem Weinen zu ihm: 'Geh mein Sohn mir voran. Ich werde nicht säumen, dir zu folgen!' Anschließend ging sie hinaus, wobei sie den Kopf in den Händen verbarg. Die, welche bei diesem herzzerreißenden Auftritt zugegen waren, sahen die Worte der Frau C. als einen einfachen Ausbruch ihres Schmerzes an, welchen Zeit und Vernunft stillen mußten. Als indessen der Kranke verschieden war, suchte man sie im ganzen Hause und fand sie schließlich erhängt auf einem Speicher. Die Leichenbestattung der Mutter geschah zugleich mit der ihres Sohnes." – Einige Tage nach dem Tod von Sohn und Mutter fand eine Sitzung mit dem Medium Roze statt, bei der sich der Sohn (A) und seine Mutter (M) medial bei Kardec (F) meldeten und mit ihm folgendes Gespräch führten: F: Haben Sie Kenntnis vom Tode Ihrer Mutter, die sich ums Leben gebracht hat, da sie der Verzweiflung erlag, in welche sie der Verlust von Ihnen gestürzt hat? A: Ja, und ohne den Kummer, den mir die Ausführung ihres verhängnisvollen Entschlusses verursacht hat, würde ich vollkommen glücklich sein. Arme und vortreffliche Mutter! Sie hat die Prüfung dieser für Augenblicke geschehenen Trennung nicht ertragen können und hat, um mit ihrem Sohne, den sie so sehr liebte, wieder vereint zu sein, einen Weg gewählt, welcher auf recht lange Zeit sie davon fernhalten muß. So hat sie in unbestimmbarem Maße diese Wiedervereinigung verzögert, welche sich so rasch vollzogen haben würde, wenn die Unterwerfung unter den Willen des Herrn ihre Seele erfüllt hätte und wenn sie in reuiger Demut sich in die Prüfung ergeben hätte, welcher sie sich unterziehen sollte, und in die Sühne, welche sie läutern sollte! Betet, o betet für sie! Und vor allem ahmet ihr nicht nach, ihr Mütter, die ihr gerührt werdet durch den traurigen Bericht von ihrem Tode! Glaubet nicht, daß sie mehr als andere Mütter diesen Sohn liebte, der ihre Freude und ihr Stolz war! Nein, sie liebte nicht mehr, aber ihr fehlten Mut und Gottergebung. Ihr Mütter, die ihr auf mich hört, wenn ihr den Todeskampf eurer Kinder sehen werdet und wie sich ihre erloschenen Augen verschleiern, dann erinnert euch, daß ihr gleich Christus den Gipfel Golgathas besteigt, von dem ihr euch in die ewige Herrlichkeit erheben sollt! Benjamin C. Anschließend trat die Mutter (M) in das Medium ein, und es wurde mit ihr folgendes Gespräch geführt: M: Ich will meinen Sohn sehen! Habt ihr die Macht, ihn mir wiederzugeben? Die Grausamen! Sie haben ihn mitgenommen, um ihn einzuführen in das Licht und haben mich in der Nacht gelassen! Ich will ihn haben, er gehört mir! Gilt denn die Mutterliebe nichts? Was? Neun Monate getragen zu haben, genährt mit meiner Milch, Fleisch vom eigenen Fleische, Blut vom eigenen Blute, gelenkt zu haben seine ersten Schritte, ihn gelehrt zu haben, den heiligen Gottesnamen und den süßen Mutternamen zu stammeln, daraus gemacht zu haben einen Mann voll Tätigkeit, Einsicht, Ehrbarkeit, Geradheit, Kindesliebe - und ihn zu verlieren zu der Zeit, wo er die Hoffnungen verwirklichte, die man auf ihn gesetzt hatte, wo eine

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