Das Fortleben nach dem Tode

- 38 - Dienstag, den 26. Januar 1926. Das Medium sieht heute keine 'Geistwesen', aber als erster meldet sich durch den Tisch Rochlitz und sagt: 'Hier Johann Friedrich Rochlitz. Ich bin geboren in Leipzig und auch ebendaselbst gestorben. Mein Geburtstag fiel am21 12. Februar, mein Heimgang am 16. Dezember. Geburtsjahr 1770, gestorben 1842. Mein Vater war Schneidermeister, er hieß Carl Ludwig. Meine herzige Mutter hieß Susanne Magdalene, geborene Häcker. Dieses alles findet ihr im Kirchbuch St. Tomae. Dieses nur, damit ihr überzeugt seid. – Ich kam als Externus in der Tomasschule. Später kam ich in das Alumneum. (Dieses Wort machte Rochlitz etwas Mühe.) Hier wurde [ich]22 erster Sopranist. (Es wurde hier bemerkt, daß Carl das interessiert hätte.) Deshalb sage ich es. - Leider wechselte meine Stimme, und ich wurde erster Tenor. Meine herrliche Stimme bekam ich auch nie wieder. Ich fing in meinem 18. Lebensjahr zu komponieren [an]. Dann lief die Wissenschaft mit mir fort. Nächstens mehr. (Es wurde gefragt, ob Rochlitz Brüder gehabt habe.) Zwei. Wir hatten aber nicht solchen Wohlstand als wie dieser Schneidermeister; bei uns ging es bös arm her.' (Der Inhaber der Wohnung, in der die Sitzungen stattfanden, war Schneidermeister.) Während der Zeit bis zur nächsten Sitzung hatte ich im Konversationslexikon gesehen, daß der in Frage kommende Rochlitz tatsächlich gelebt hatte, daß es sich um einen zeitweiligen Herausgeber der 'Allgemeinen Musikalischen Zeitung', die in Leipzig herauskam, handelte, daß er aber im Jahre 1769 geboren sei (!), während das in der Sitzung angegebene Monatsdatum stimmte. Die weiteren kurzen Ausführungen im Lexikon wurden absichtlich nicht gelesen! Dienstag, den 2. Februar 1926. Wir unterhielten uns während der Vorbereitung zur Sitzung über die oben erwähnte Unstimmigkeit. - Bei Beginn der Sitzung zeigt sich Rochlitz dem Medium sehr deutlich und meldet sich als erster durch den 'Zeigertisch': 'Ihr meint wegen meines Geburtsjahr[s]. Ich habe immer gesagt: siebenzig, aber die haben es mir abgestritten. Im Kirchenbuch, sagen die Menschen, steht neunundsechzig. Aber da ist schon viel um gestritten worden. Aber ich muß es doch wissen. Ihr könnt es ja mit erwähnen, wenn ihr schreibt. - Also: Ich hing ja zuletzt den Gesang an [den] Nagel und ging zur Wissenschaft. Siebenzehnhundertneunundachtzig (so diktiert!) verließ ich das Alumneum. (Das Wort machte wieder Schwierigkeiten; erst wurde Aleneum buchstabiert.) Ich studierte dann zwei Jahre Theologie, konnte aber meiner Armut wegen den Kursus nicht zu Ende führen. Nun dachte ich, mit meinem Fleiß würde es gelingen, und nahm einen Platz als Hauslehrer bei einem Landskammerrath, aber mußte diese Stellung gesundheitswegen nach anderthalb Jahren wieder verlassen. Nun war ich noch viel ärmer als zuvor. Für heute Schluß!' Dienstag, den 9. Februar 1926. Rochlitz zeigt sich heute, ebenso wie andere 'Geistwesen', weniger deutlich. Er meldet sich wieder zuerst: 'Also hier Rochlitz. Siebenzehnhundertzweiundneunzig verließ ich meine Stellung bei dem Landkammerrath Oeler in Crimmerschau23 und fuhr nach Leipzig zurück. Dank meines Freundes Beethoven, der für Mittel sorgte, konnte ich wieder mein Studium der Teologie aufnehmen. Ich hielt zuweilen auch Kanzelreden in den Hauptkirchen ab, aber ich hatte das Gefühl, es auf diesem Gebiete nicht genug wirken zu können. Es war mir alles zu eng, mein Genius wies mir den Weg zu schriftstellern an. Mozahrt kam dann nochmal nach Leipzig, und wir konnten dann für unsere Zeitgenossen wirken. Gute Nacht.' Ich sagte, ich würde mich freuen, das alles bald bestätigt zu finden. Darauf Rochlitz: 'Mein Tauftag fiel am 15. Februar.' Darauf wurde Rochlitz gefragt, ob er mit seinem Bericht bald fertig sei. Die Antwort lautete: 'Lange nicht!' Dienstag, den 23. Februar 1926. Das Medium sieht u. a. auch Rochlitz besonders deutlich. Er berichtet weiter: 'Rochlitz. - Mit den gediegensten Kenntnissen und (hier lange Pause, etwa 2 Minuten) klar über die Richtung, die ich einzuschlagen... (Nun wieder von vorne anfangend:) Mit den gediegensten Kenntnissen ausgerüstet und klar über die Richtung, klar über das Ziel, das ich einzuschlagen hatte... (Der Satz blieb unvollendet!) Meine äußere Lebensweise traf keine Störung und Beeinträchtigung mehr, alles glückte, was ich vornahm. Im Jahre achtzehnhundertzehn verheiratete ich mich mit der Tochter des Bauraths Hansen zu Leipzig. Sie war eine verwitwete Daniel Winkler. Unsere Ehe war sehr glücklich, aber leider ohne Nachkommenschaft. Von meinem ferneren Leben wäre wohl nicht viel mehr zu erwähnen, nur daß ich im Jahre einunddreißig das Ritterkreuz und [den] Hausorden vom weißen Falken erhielt. Die letzten zwölf Jahre widmete ich mich ganz 21 Auffällige Spracheigentümlichkeiten und Sprachfehler sind durch Kursivdruck hervorgehoben. - Der oft gebrauchte Dativ war, wie sich später herausstellte, zu R's Zeiten gebräuchlich. 22 Augenscheinlich vergessene Worte oder Buchstaben stehen in eckigen Klammern. 23 Beispiel für Fehler in der Durchgabe. Die Stadt heißt "Crimmitschau"

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